Parteitag im Schatten Meyers

Der nächste CDU-Flop: Zwar nominiert der Landesparteitag Jürgen Rüttgers mit guten 93 Prozent zum Spitzenkandidaten – doch die „Abräumermentalität“ von Laurenz Meyer überlagert alles

AUS HAMMANDREAS WYPUTTA

Jürgen Rüttgers reißt die Hände zur Siegerpose hoch. Gerade ist der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Christdemokraten mit 93,5 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Mai gewählt worden. Doch der Applaus verebbt schnell. Seltsam einsam steht Rüttgers vor den Delegierten, die sich schon wieder auf ihre Stühle fallen gelassen haben.

Dabei sollte spätestens derParteitag im westfälischen Hamm, wo CDU-Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann bei der Kommunalwahl satte 60 Prozent einfahren konnte, zum kraftvollen Wahlkampfauftakt der CDU werden. Präsentiert werde ein „kraftvoller Jürgen Rüttgers“, hatten Vertraute des Landesparteichefs zuvor gestreut – gestärkt sollte Rüttgers aus den Filzaffären um seinen designierten Schatten-Arbeitsminister Hermann-Josef Arentz und den Kölner Landtagsabgeordneten Richard Blömer hervorgehen.

Doch die Affäre um CDU-Bundesgeneralsekretär Laurenz Meyer dominiert alles. Delegierte erregen sich zischelnd über Meyers „Abräumermentalität“, Meyers Zukunft steht zur Debatte. Der sitzt schweigend auf dem Podium, äußert offiziell kein Wort. Am Rande nur so viel: „Ich habe alles erklärt. Mehr gibt es nicht zu sagen.“

Dabei läuft der offizielle Teil fast nach Plan. Rüttgers hält eine starke Rede, verspricht weniger Schulden, mehr Arbeit, weniger Bürokratie, bessere Bildung. „Das ist unsere Devise: mehr Freiheit wagen“, ruft der Oppositionsführer. Die Delegierten honorieren Rüttgers‘ Versuche, Führungsstärke zu zeigen – die Zustimmung für den als Zauderer beschriebenen liegt nur knapp unter seinem Ergebnis vor der Landtagswahl 2000, als Rüttgers 98,3 Prozent für sich verbuchen konnte. Der Parteichef revanchiert sich: Die vergangenen zwei Wochen seien „nicht leicht gewesen“, beschreibt er sein Vorgehen gegen Arentz und Blömer. „Es musste sein – und ich werde wieder hart durchgreifen, wenn es nötig ist.“

Dankbar muss der Kandidat dagegen Arentz‘ schnell präsentierten Nachfolger Karl-Josef Laumann sein. Der von Bundesparteichefin Angela Merkel für Führungsaufgaben vorgesehene Bundestagsabgeordnete ist zum heimlichen Star der nordrhein-westfälischen CDU geworden. Laumann hat Landesgeneralsekretär Hans-Joachim Reck von Listenplatz vier auf sieben verdrängt, erhält dort überzeugende 95,8 Prozent.

Reck dagegen wird für sein fehlgeschlagenes Krisenmanagement gerade im Fall Blömer abgestraft. Als einziger der 128 Bewerber muss er in die Stichwahl, holt gegen die unbekannte Kölner Jura-Studentin Julika Barthel gerade 70 Prozent. Dabei hatte sich Kölns CDU-Parteichef Walter Reinarz wie Rüttgers und der Vorsitzende der Jungen Union, Hendrik Wüst, gegen die 21-Jährige ausgesprochen. „Ich habe einen 20-jährigen Sohn“, betont Reck in seiner erzwungenen Bewerbungsrede hilflos. „Zusammen mit meiner Frau.“ Danach produzieren die CDU-Delegierten unter Recks Leitung sozialistische Ergebnisse: Ab Listenplatz 30 erhalten alle Bewerber ein Ergebnis von über 99 Prozent. Einzige Ausnahme: Julika Barthel – Recks Herausforderin schafft nur 98,6 Prozent.

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