Personalie mit politischem Sprengstoff

Vor Weihnachten muss Bundesumweltminister Jürgen Trittin die Reaktorsicherheitskommission neu besetzten. Noch ist offen, ob der ehemalige Sicherheitschef des AKW Neckarwestheim wieder dabei sein wird. Der hatte Ärger mit EnBW

FREIBURG taz ■ Bundesumweltminister Jürgen Trittin droht neuer Ärger. Noch vor Weihnachten muss er die Reaktorsicherheitskommission (RSK) neu besetzen – und dabei ist ein Konflikt vorprogrammiert. Denn die Frage, ob er den ehemaligen Sicherheitschef des Atomkraftwerks Neckarwestheim, Eberhard Grauf, erneut in die Kommission berufen wird, ist zum Politikum geworden.

Der Hintergrund: Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) hatte ihren Kraftwerkschef Grauf, einen international renommierten Atomexperten, im Juli Knall auf Fall gefeuert. Sofort kursierten Vermutungen, unterschiedliche Auffassungen in sicherheitsrelevanten Fragen seien die Ursache des Rauswurfs – was sowohl das Umweltministerium des Landes Baden-Württemberg wie auch die EnBW heftigst dementierten.

Doch die Stuttgarter Zeitung berichtete mit Bezug auf interne Protokolle der entscheidenden Unterredung Graufs mit EnBW-Chef Utz Claassen, dass die Reaktorsicherheit sehr wohl das entscheidende Konfliktfeld war. Der langjährige Kraftwerkschef habe sich in diesem Punkt „äußerst kritisch über den Kurs des Stromkonzerns“ geäußert.

Die EnBW erstattete sofort Strafanzeige gegen unbekannt – denn die Gesprächsprotokolle waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Ein klares Dementi in der Sache blieb jedoch aus.

Mit einer Kritik an der Sicherheitspraxis in Neckarwestheim würde sich Grauf mehr denn je für die RSK qualifizieren. Schließlich hat das Gremium die Aufgabe, das Bundesumweltministerium (BMU) in Fragen der Reaktorsicherheit fachkundig und kritisch gegenüber den Betreibern zu beraten. Im Sommer hatte daher auch Trittin sich noch hinter Grauf gestellt.

Doch plötzlich ist alles anders. In Kreisen von Abgeordneten wie im BMU beobachtet man in jüngster Zeit ein Abrücken Trittins von Grauf. In der zuständigen Fachabteilung des Ministeriums fürchten Mitarbeiter jetzt, Trittin wolle den für die Kraftwerksbetreiber unbequemen Experten aus dem Beratergremium entfernen.

Möglicherweise schon heute oder morgen wird der Minister die neue RSK benennen. Ist Grauf weiterhin in der Kommission vertreten, wird Trittin die EnBW gegen sich aufbringen. Sollte dies aber nicht der Fall sein, wird der Umweltminister seine eigene Fachabteilung, seine Partei und seine atomkritische Wählerklientel vor den Kopf stoßen. BERNWARD JANZING