Innenstädte sollen Emotionen schüren

Auf einem Düsseldorfer Kongress zur Zukunft der Innenstädte wünschen sich alle TeilnehmerInnen mehr Gefühl. Außerdem ganz wichtig für attraktive und anziehende Städte: Viele AbiturientInnen und KünstlerInnen

DÜSSELDORF taz ■ Mehr Stadt für weniger BürgerInnen – die Enquête-Komission zur Zukunft der Städte in NRW stellte gestern in Düsseldorf ihre ersten Ergebnisse vor. Attraktive und bewohnte Städte, so der Tenor, kann es hier nur mit gebildeten und kulturell interessierten BürgerInnen geben. Gerade im Ruhrgebiet leiden die Städte unter der Abwanderung von studierten jungen Menschen. „Ein Indikator für eine gut entwickelte Stadt ist ganz schlicht der Anteil der AbiturientInnen an den Erwerbstätigen“, sagt Ilse Helbrecht, Geografin von der Bremer Uni und Mitglied der Komission. Städte der Zukunft müssten sich am Bildungsgrad ihrer EinwohnerInnen messen lassen.

Aus den USA kamen die wichtigsten Informationen über innovationsfähige Städte: Dort ist den Ämtern bekannt, wer wo wohnt. Die BürgerInnen werden systematisch gezählt und nach Hautfarbe, Schulabschluss, Einkommen und Familienstand befragt. So kam auch heraus, was die High-Tech-Städte in Florida gemeinsam haben: Dort leben auffällig viele KünstlerInnen und unterschiedliche Nationen zusammen. „Der Bohemien-Faktor ist entscheidend“, sagte Helbrecht. Je mehr KünstlerInnen, Werbeagenturen, Museen und Theater vorhanden seien, desto attraktiver sei die Stadt für Familien und gebildete Menschen. „In solchen Zentren werden automatisch viel mehr Patente angemeldet.“

Helbrechts Vorschlag an Städtebauminister Michael Vesper (Grüne): Nicht die ärmsten Städte sollten in Zukunft gefördert werden, sondern die tüchtigsten. Diejenigen, die sich besonders angestrengt hätten, sollten auch mehr profitieren. „Wenn es Münster seit Jahren von alleine gut geht und in Zukunft wahrscheinlich noch besser gehen wird, braucht es keine Fördergelder.“ Münster bleibe sowieso schwarz und verregnet, sagte sie.

Vesper hingegen setzt auf die zahlreichen Förderprogramme seines Hauses, die auch von der Komission ausdrücklich gelobt werden. „Über die Hälfte unserer Städtebaumittel geht über unsere zahlreichen Initiativen in die Zentren“, so der Minister. Dabei werde sehr wohl auf regionale Unterschiede geachtet. Aber auch Vesper ist nur verhalten optimistisch. „Der Strukturwandel ist noch längst nicht abgeschlossen, das hat uns die Opel-Krise eindrucksvoll bewiesen.“ Besonders wichtig findet Vesper, nach dem Kongressthema wenig überraschend, die Innenstädte. „Sie sind der Seismograph für die gesamte Lebensfähigkeit der Stadt.“ In Zukunft sollten brachliegende Flächen genutzt werden, um Familien und das „Künstler-Milieu“ wieder in die Zentren zu holen. Dann käme auch das so dringend benötigte bürgerschaftliche Engagement zurück. „Pläne allein verändern die Welt ja nicht“, sagte Vesper.

Nein, Emotionen sollen es sein, sagte auch Hans-Dieter Collinet aus dem Städtebau-Ministerium. „Nicht die intellektuelle, die gefühlte Stadt weckt das Engagement.“ Collinet ließ es sich dennoch nicht nehmen, die Pläne des Ministeriums auszupacken und zu loben, die bundesweit Pilotcharakter haben sollen. Er nannte zum Beispiel „Ab in die Mitte“, ein Projekt, das in Zusammenarbeit mit Firmen Innenstädte aufpoliert, zum Beispiel durch begrünte Gehsteige. Außerdem würden in den nächsten Jahren 20.000 Hektar Bahnflächen frei, dort könne gerade in den zugebauten Städten von Duisburg bis Dortmund Großartiges entstehen. Collinet und Vesper bedauerten beide, dass der bildungsnahe Nachwuchs abwandere. Wie genau jetzt die Kunstschaffenden und Intellektuellen für die Zentren zu begeistern sein sollen, blieb aber im Dunkeln. ANNIKA JOERES