Nachhilfe soll sich für Schulen lohnen

Dank spezieller Hilfen bleiben am Kölner Humboldt-Gymnasium immer weniger Schüler sitzen. Das spart dem Land im Jahr rund 208.000 Euro, sagt die Elternpflegschaft. Sie fordert von der Ministerin, die Schule an dem gesparten Geld zu beteiligen

Von Susanne Gannott

Für die meisten Schüler ist „Sitzenbleiben“ eine Katstrophe: Man verliert seine Freunde, muss sich an neue Klassenkameraden und Lehrer gewöhnen und außerdem mit dem Gefühl des eigenen Scheiterns fertig werden. Dazu kostet jede „Ehrenrunde“ auch noch eine Menge Geld: rund 8.000 Euro, wie die NRW-Schulministerin Ute Schäfer (SPD) im letzten Schuljahr mal ausgerechnet hat. Das muss nicht sein, befand man am Kölner Humboldt-Gymnasium und initiierte zwei Projekte gegen das Sitzenbleiben. Mit Erfolg: Im vergangenen Jahr blieben nur noch 12 der 1.130 SchülerInnen sitzen. In den Jahren zuvor waren es im Durchschnitt 38. Jetzt fordert die Elternpflegschaft der Schule, dass ein Teil des eingesparten Geldes von rund 208.000 Euro an die Schule zurückfließt. Damit könnten „zusätzliche Fördermaßnahmen in Angriff genommen“ und dem „Projekt zu Kontinuität verholfen“ werden, schreiben die Humboldt-Eltern in einem Brief an die Ministerin.

Begonnen hat das Gymnasium im Kartäuserwall seine Initiative vor zwei Jahren im Rahmen des Programms „Selbstständige Schule“. Seitdem geben Lehrer nachmittags in „Lernworkshops“ Zusatzunterricht für versetzungsgefährdete Schüler, erklärt Direktor Harald Junge. Dahinter stecke die Erkenntnis, dass Sitzenbleiben gerade in der Pubertät die Gefahr erhöht, dass eine Schulkarriere nach ein paar Jahren ohne Schulabschluss beendet wird. Um hier vorzubeugen, bekommt das „Humboldt“ für seine „Lernworkshops“ eine halbe Stelle vom Land finanziert. Damit werden 20 bis 40 Schüler für eine Stunde pro Woche in den Fächern Deutsch, Mathe, Englisch und Französisch unterrichtet – je nachdem, wo die Schwachpunkte liegen. „Aber wir geben hier nicht einfach Nachhilfe“, betont Junge. Mit Konzentrationstraining und Methodenhilfe werde auch dafür gesorgt, dass Schüler künftig besser im Unterricht mitkommen.

Dazu trägt neben den „Lernworkshops“ auch das Eltern- und Schülerprojekt „Klasse ohne Sitzenbleiben – Solidarische Klasse“ bei. Hier bringen die Eltern der Humboldt-Schüler zum Beispiel ihre beruflichen Qualifikationen ein und halten Vorträge, erklärt Junge. Aber auch im weiteren Umfeld der Schule werde nach freiwilligen Helfern gesucht. So habe man eine pensionierte Bankerin gefunden, die Deutschunterricht für kurdische Schülerinnen erteilt. „Wir können nicht für alles, was wir benötigen, bezahlen“, sagt der Direktor. Aber auf der anderen Seite gebe es auch immer mehr Menschen, „die alt und fit sind“ und denen ein ehrenamtliches Engagement Spaß macht.

Und auch die Schüler beteiligen sich an der „Klasse ohne Sitzenbleiben“. So bieten die guten Schüler in einigen Klassen den anderen Nachhilfe an, erzählt Rita Zimmermann, Vorsitzende der Schulpflegschaft und Unterzeichnerin des Briefes an Ministerin Schäfer. „In der Klasse meines Sohnes ist seitdem keiner mehr sitzen geblieben.“ Die Elternvertreterin hat das Projekt vor eineinhalb Jahren ins Leben gerufen, weil sie nicht mehr warten wollte, dass seitens der Politik etwas passiert. „Natürlich brauchen die Schulen mehr Geld, aber man kann auch mit Selbsthilfe viel machen“, sagt Zimmermann.

Der Erfolg des Engagements von Schülern, Eltern und Lehren zeigt sich für die Elternvertreter nicht nur in gesunkenen Sitzenbleibezahlen, sondern auch „in einer gesteigerten persönlichen Motivation und einer langsamen aber stetigen, positiven Veränderung der Haltung der Schüler gegenüber Schule und Lernen“, wie es in dem Brief an Schäfer heißt. Von einer anderen „Kultur des Lernens und des Miteinanders“ durch „Generationen übergreifende Solidarität“, schwärmt auch Direktor Junge. „Unser Ideal ist ein soziales Netzwerk, das sich selbst abfedert.“

Dass die Eltern jetzt die Früchte dieser Arbeit beim Ministerium einfordern, findet Junge nur konsequent. Schließlich werde das Prinzip, die Schulen an gesparten Geldern zu beteiligen, auch beim KLASSE-Projekt angewandt. Bei dieser Umweltinitiative der Stadt bekommen die Schulen die Hälfte ihrer eingesparten Heiz- und Energiekosten zur freien Verfügung ausgezahlt. Das wünscht sich Direktor Junge auch für seine Anti-Sitzenbleiber-Aktivitäten. „Wir haben ja eine gute Rendite gemacht.“