150 Jahre phür nix

Rund 2.000 Phoenix-MitarbeiterInnen demonstrieren in Harburg gegen drohenden Arbeitsplatzabbau. Betriebsrat fordert Hilfe vom Bürgermeister

„Ihr habt Phoenix den Krieg erklärt – Glaubt ja nicht, dass sich keiner wehrt“

Vier Träger tragen den schwarzen Sarg, der das Harburger Phoenix-Werk symbolisiert, quer durch die Harburger Innenstadt zu Grabe. Ein Henker samt blutbeschmiertem Hackebeil, mit dem er zuvor einen Styropor-Phönix zerlegt hatte, folgt der Prozession. Die Symbolik ist eindeutig, der Protest kreativ. Rund 2.000 Menschen, die meisten von ihnen MitarbeiterInnen des Autozulieferers und ihre Familien, demonstrieren gestern Nachmittag lautstark gegen den drohenden Abbau von 850 bis 1.100 der insgesamt 2.700 Phoenix-Arbeitsplätze.

Viele von ihnen haben weiße Kreuze dabei. Dass es bis Ende kommenden Jahres keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll, beruhigt sie kaum. Denn die Furcht, dass der nach der „feindlichen Übernahme“ des Traditionswerks durch den Hannoverschen Continental-Konzern angekündigte Job-Kahlschlag nur der Vorbote für eine bevorstehende Schließung der 148 Jahre alten Produktionsstätte sein könnte, ist groß.

So befürchtet der Harburger SPD-Vorsitzende Frank Richter, „dass mittelfristig die Phoenix komplett zerschlagen werden soll“. Viele Beschäftigte glauben, dass Coninental die Phoenix mit dem Ziel übernommen habe, „einen unliebsamen Konkurrenten platt zu machen“.

Der vom Arbeitsgericht gestoppte Versuch der Konzernzentrale, in einer Nacht- und Nebel-Aktion Phoenix-Produktionsanlagen zu demontieren und sie zu einer spanischen Conti-Tochter zu verschiffen, hat die Angst vor dem geplanten Ausbluten noch gesteigert. „Nun wird es jedem klar – alle Jobs sind in Gefahr!“, heißt es auch auf mehreren mitgeführten Spruchbändern. Oder auch: „150 Jahre – Phür nix!“

„Es wurden uns bis heute keine Argumente für den Arbeitsplatzabbau geliefert und keine Zahlen vorgelegt, die dessen Notwendigkeit darlegen“, klagt Betriebsratschef Nils Mauch. Schließlich habe Phoenix gerade das beste Geschäftsergebnis seiner langen Geschichte eingefahren. Dem Harburger Werk gehe es wirtschaftlich also gut, Conti auch; aber es könnte eben immer noch besser gehen. „Das Einzige, was wir als Begründung zu hören bekommen, ist, dass die Zusammenlegung zweier Fertigungslinien sich immer lohnt“, klagt Mauch: „Mehr ist nicht.“

Das wollen die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften nicht hinnehmen. Mit „kalter Wut“ beschreiben viele Beschäftigte ihre Stimmung. Mauch fordert unverblümt, Bürgermeister Ole von Beust solle sich endlich einschalten, um das Harburger Werk und die Arbeitsplätze langfristig zu sichern. „Bei Airbus wurden für vergleichbar viele Arbeitsplätze zwei Milliarden Mark Staatsknete investiert – bei uns aber duckt sich der Bürgermeister weg“, ärgert sich der 38-jährige Arbeitnehmervertreter.

Die nächste Protestaktion steht bereits vor der Tür. Viele Phoenix-Mitarbeiter haben in den vergangenen Tagen Anteile ihres Arbeitgebers erstanden, um als Kleinaktionäre Eintritt und Rederecht auf der bevorstehenden außerordentlichen Hauptversammlug zu erhalten. Wenn am 28. Dezember die Phoenix-Übernahme im Hittfelder Veranstaltungszentrum Burg Seevetal abgesegnet werden soll, dürfte es turbulent werden. Der Konzern hat aufgrund des zu erwartenden Andrangs nach Informationen des Betriebsrats bereits ein Zusatzzelt geordert, um die erwarteten Mitarbeiter-Massen unterzubringen.

„Ihr habt den Phoenix-Mitarbeitern den Krieg erklärt – Glaubt ja nicht, dass sich keiner wehrt“, signalisiert eine Demo-Parole beim Montagsprotest die Kampfbereitschaft der Belegschaft.