Heiteres Fließenzählen

Prozess gegen den früheren Bauressort-Abteilungsleiter Gottfried Z.: Heute müssen sich die Gutachter rechtfertigen

Bremen taz ■ Als „renommierten Gutachter“ soll ihn selbst die Hannoveraner Architektenkammer empfohlen haben, für „Zweifel an der Sachkunde“, beteuert Richter Bernd Asbrock, habe es „keinen Grund“ gegeben: Paul-Lothar Müller, pensionierter Architekt aus Hildesheim, sollte im Auftrag des Bremer Landgerichts den Wert des Umbaus des Privathauses von Gottfried Z. überprüfen. Z. war einst Abteilungsleiter im Bauressort, zuständig für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge, unter anderem recht oft an Zechbau. Zechbau wiederum baute Z.s Privathaus um. Und zwar, nach Ansicht der Staatsanwaltschaft, rund 230.000 Euro zu billig. Müllers Ergebnis schien diese Vorwürfe zu stützen.

Heute aber steht Müllers Arbeit selbst auf dem gerichtlichen Prüfstand, der Grund: Zweifel an der Sachkunde. Mehrere Fragen zu seiner eigenen Expertise konnte der „renommierte Gutachter“ während der vorangehenden Verhandlungstage nicht beantworten. Und in mehr als einem Punkt wies ihm die Verteidigung zudem handfeste Fehler nach. Etwa beim Fließenzählen: Müller sprach von 202 Quadratmetern neu geplättelter Böden und Wände, die Verteidigung von 119. Selbst die Zahl der Türen, von der Müller ausging, weicht offenbar von der realen Anzahl von Türen in Z.s Haus ab.

Unter dem Druck der Vorbehalte räumte Müller schließlich ein, dass er die umstrittene Expertise nicht allein angefertigt hatte. Vielmehr hätten auch Mitarbeiter seines Büros Teilfragen bearbeitet. Zusammen mit Müller sollen zwei davon heute erläutern, wie sie dabei vorgegangen und zu welchen Ergebnissen sie so gekommen sind. Es ist der erste Verhandlungstag seit Wochen - ein Schöffe war erkrankt.

Man müsse nun „sehr grundsätzlich hören, wer was gemacht hat“, erläuterte der Vorsitzende Richter Bernd Asbrock die Vorladung der drei Architekten. Nur so könne das Gericht entscheiden, ob die Expertise doch noch brauchbar sei, oder ob ein zweites, ordentliches Gutachten angefertigt werden muss. Beobachter halten Letzteres für wahrscheinlich.

Vom Umfang her, das deutete Asbrock bereits an, würde eine solche Zweitexpertise allerdings deutlich schmäler ausfallen als die erste. Es könne allenfalls noch darum gehen, Müllers Werk „punktuell“ zu überprüfen, sagte er. Und wohl darum, besser zu zählen. sim

Die Verhandlung findet heute um 9.15 Uhr im Landgericht (Raum 231) statt