„Die fühlen sich unheimlich stark“

RECHTE GEWALTTATEN Wolfgang Nacken vom „Mobilen Beratungsteam Hamburg“ über die Radikalisierung der NPD und verstärkte Aktivitäten in den Elbvororten. Der „cordon sanitaire“ sei zum Glück intakt

■ ist Leiter des Mobilen Beratungsteams Hamburg gegen Rechtsextremismus. Er schreibt für den „Störungsmelder“, ein Projekt von zeit.de. Foto: privat

taz: Der Verfassungsschutz räumt ein, dass die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten in Hamburg gestiegen ist – von 22 auf 45 Straftaten. Schuld daran seien die Auseinandersetzungen während des Wahlkampfes und am 1. Mai.

Wolfgang Nacken: Der Verfassungsschutz folgt so einer Sichtweise, die besagt: Hätte es diese beiden Ereignisse nicht gegeben, würde die Zahl der rechten Gewalttaten stagnieren. Wie in jeder anderen Stadt muss aber in Hamburg von einer großen Dunkelziffer an rechtsextremer und rassistischer Gewalt ausgegangen werden. Und es gibt Formen von Gewalt, etwa subtile Beleidigungen oder versteckte Drohungen, die zwar nicht strafbar sind, bei den Opfern aber trotzdem einen Leidensdruck erzeugen. Nach und nach melden sich bei uns Menschen, die genau diesen Angriffen ausgesetzt sind.

Ist die NPD mit der Übernahme des Landesvorsitzes durch Jürgen Rieger radikaler geworden?

Mit Rieger sind etliche Militante der Freien Kameradschaften in die NPD eingetreten. Sie haben quasi die Führung des Landesverbandes übernommen.

Sind sie aktiver geworden?

Ja. Sie richten regelmäßig Infostände aus. In Hamburg funktioniert zum Glück aber der „cordon sanitaire“ gegenüber dem rechten Rand. Die einzigen, auf die die NPD-Aktivitäten Eindruck machen, sind die von der NPD selber. Die fühlen sich nach jeder Aktion unheimlich stark.

In welchen Stadteilen sind die Rechten besonders aktiv?

Die Szene tritt nach wie vor in Bramfeld und Bergedorf auf. Die Infostände der NPD findet man dagegen immer öfter in den Elbvororten. Das mag wohl daran liegen, dass es dort bisher kaum organisierten Widerstand gibt – im Gegensatz zu Bergedorf und Bramfeld mit ihren sehr aktiven Bündnissen.

Wirkt sich das auf den Alltag von Jugendlichen aus, die nicht ins rechte Weltbild passen?

Glücklicherweise gibt es in Hamburg flächendeckend ein Klima der Offenheit und kulturellen Vielfalt. Das bedeutet allerdings nicht, dass Menschen mit Migrationshintergrund oder alternativ aussehende Jugendliche keinen Angriffen ausgesetzt sind.

Erneut geht der Verfassungsschutzbericht nicht auf rechtsextreme Burschenschaften ein. Wirkt sich das auf die Präventionsarbeit aus?

Ich sehe kein Problem darin, sich trotzdem mit bestimmten Burschenschaften zu beschäftigen. In der Präventionsarbeit muss man sich ja nicht ausschließlich auf juristischen Kategorien beschränken, sondern kann auch sozialwissenschaftliche Kategorien heranziehen: Wer vertritt welche Inhalte, wo gibt es Gemeinsamkeiten?

Interview: Andreas Speit