Wilde Streiker suchen neue Führung

Die Opelaner in Bochum wählen nach zwei Rücktritten heute einen neuen Betriebsratsvorsitzenden. Dessen Job wird bestimmt nicht leicht: Denn bei den Verhandlungen mit dem Management steht der Standort im Ruhrgebiet weiter auf der Kippe

AUS BOCHUM KLAUS JANSEN

Gesucht wird ein Retter. Der neue Betriebsratsvorsitzende, den die Arbeitnehmervertreter von Opel Bochum heute wählen, muss in den kommenden Monaten über nichts Geringeres mitentscheiden als über die Zukunft der Autoproduktion im Ruhrgebiet. Denn während sich das Werk Rüsselsheim gute Hoffnungen auf die Produktion des neuen Opel Vectra machen kann, ist den streikfreudigen Bochumer noch kein Nachfolgemodell für die bis zum Jahr 2009 gesicherte Fertigung des Astra Caravan angeboten worden.

Derzeit stehen die 9.600 Beschäftigten von Opel Bochum in den Gesprächen mit dem Management ohne Verhandlungsführer da. Denn bereits vor einer Woche verabschiedete sich der stellvertretende Vorsitzende Rainer Einenkel. Der Betriebsrat wollte der Einrichtung einer Einigungsstelle nicht zustimmen, in der Betriebsräte und Arbeitnehmer über betriebsbedingte Kündigungen entscheiden müssen, falls nicht genügend Opelaner das Unternehmen freiwillig über Abfindungen und Transfergesellschaften verlassen.

Auf den Rücktritt Einenkels folgte der des Betriebsratsvorsitzenden Dietmar Hahn. Der an Herzproblemen leidende Arbeitnehmervertreter gab „gesundheitliche Gründe“ für seinen Rücktritt an, will aber trotzdem im Opel-Aufsichtsrat bleiben. Wer den als gemäßigt und kompromissbereit geltenden Hahn und Einenkel nun an die Spitze des Betriebsrats folgen wird, ist offen. Auch einen Tag vor der Wahl hat noch kein Betriebsrat seine Kandidatur für den Vorsitz angekündigt.

Die Mehrheitsverhältnisse in dem 37-köpfigen Gremium sind unklar: „Die Konstellationen sind fließend. Das ist manchmal kindergartenmäßig, was da abläuft“, sagt der Noch-Betriebsratsvize Rainer Einenkel. Offiziell strebt er selbst zwar den Vorsitz nicht an, hält sich eine Kandidatur aber offen.

Seit Jahren tobt im Bochumer Opel-Betriebsrat ein Machtkampf zwischen gemäßigten und kommunistischen Kräften. Höhepunkt von Mobbing-Kampagnen und Intrigen war die so genannte Stimmenkaufaffäre im Jahr 2002, bei der Kandidaten mithilfe von Schmiergeld den Sprung von der ungeliebten Fließbandarbeit ins Betriebsratsbüro schaffen wollten. Trotz wechselnder Mehrheiten ist es auch jetzt wahrscheinlich, dass gemäßigte Betriebsräte als Verhandlungsführer bestimmt werden.

Wie schwierig die Lage für Opel Bochum ist, hatte zuletzt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz deutlich gemacht: Während für das Überleben des Stammwerks Rüsselsheim „gute Chancen“ bestünden, sei die Zukunft für Bochum eine „harte Nuss“, sagte er. Beliebt macht sich Franz mit solchen Äußerungen in Bochum nicht – wo er ohnehin als Lobbyist des Standorts Rüsselsheim gilt. Als „Resteverwalter“, der „Bochum austricksen“ wolle, bezeichnet ihn eine Gruppe um den Oktober-Streikführer Jürgen Rosenthal und Exbetriebsratschef Peter Jaszczyk. Auch Einenkel kritisiert die kompromissbereite Haltung, die Franz in den Gesprächen mit dem Management einnimmt. „Er pflegt einen anderen Politikstil als wir Bochumer“, sagt er. Leichter wird die Mission für die neuen Retter des Autostandorts Ruhrgebiet dadurch nicht.