Globales Rätselraten um Yukos-Käufer

Der bisherige Yukos-Mehrheitseigner verklagt den Auktionssieger bei der Versteigerung des Hauptförderbetriebs

BERLIN taz ■ Auch einen Tag nach dem spektakulären Ausgang der Versteigerung, mit der die Zerschlagung des russischen Energiekonzerns Yukos begann, brodelten gestern die Gerüchte: Wer ist die erst am vergangenen Mittwoch offiziell registrierte mysteriöse Baikalfinansgrup, die den Zuschlag bekam? Und was steckte hinter der Zurückhaltung des staatlichen Konzerns Gazprom, den Beobachter für den sicheren Sieger der Auktion gehalten hatten?

9,37 Milliarden US-Dollar hatte die Baikalfinans bei der Versteigerung für die Fördergesellschaft Jugansneftegas geboten. Diese gehörte als Kernstück zur Holding Yukos des inhaftierten und der Steuerhinterziehung angeklagten Milliardärs Michail Chodorkowski. Westliche Experten hatten ihren Wert auf 15 bis 18 Milliarden Dollar geschätzt. Beamte des Föderalen Fonds für Eigentum, der die Auktion organisierte, sagten gestern, auch sie wüssten nicht, wer an der Siegerfirma beteiligt sei.

Analysten werteten die Posse als Tiefpunkt der vom russischen Staat angestrebten Liquidierung der Yukos. An deren Ende besteht jetzt kein Zweifel mehr. Das Rätselraten konzentriert sich ganz auf die neu erschienene Firma. Die Tageszeitung Iswestija spekulierte, dass dahinter sehr wohl die von Beginn an als Favoritin bei der Versteigerung betrachtete staatliche Erdgasfirma Gazprom stehen könne. Begründung: Unter der angegebenen Adresse der Baikalfinansgrup in der Stad Twer ist kein Hinweis auf sie zu finden, wohl aber ein bekannter Geschäftspartner von Gazprom gemeldet. Dieser Version zufolge wäre die schnelle Gründung einer Strohfirma ein Versuch des Kreml, die Gazprom vor juristischer Verfolgung zu schützen. Yukos-Hauptaktionär Menatep hatte nämlich in Houston eine einstweilige Verfügung gegen die Auktion erwirkt, indem sie sich auf die von Russland unterzeichnete internationale Energie-Charta stützte. Diese untersagt staatlichen Behörden, Aktienbesitzer zu enteignen. Gegen die Gazprom-Variante spricht, dass ein Unternehmen nicht mit mehr als einem Bieter bei einer Auktion vertreten sein darf.

Das russische Justizministerium wies unterdessen auf eine Möglichkeit hin, den wichtigsten Yukos-Förderbetrieb ohnehin schon bald zu renationalisieren – falls nämlich der Sieger sein Gebot nicht innerhalb von 14 Tagen zahlen könne.

Ob nun über die Gazprom oder um die Gazprom herum – keiner der Moskauer Analysten bezweifelt, dass letztlich der russische Staat die Juganskneftegas leiten wird. Die Frage ist nur, für welche Bürokraten-Clique dabei mehr herausspringt.

Menatep-Vertreter erklärten, sie würden den Käufer und die russische Regierung „um den ganzen Globus herum“ verklagen: „Wir sind erfahren darin, dem Öl hinterherzujagen.“

Ein Sprecher erinnerte an die schweizerische Firma Noga, die den russischen Staat wegen einer Millionen-Dollar-Schuld in den 90er-Jahren in mehreren Ländern gerichtlich verfolgte. Dies führte unter anderem zur Einfrierung der Konten der russischen Botschaft in Paris.

BARBARA KERNECK

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