kirchenkritik : Gerhard muss sitzen lernen
Johannes Rau wollte keine Bombe sein, deswegen verklagte er das Satire-Magazin Titanic. Das hatte den Prediger als „Wuppertaler Zeitbombe“ und „hochinfektösen Prionenklumpen“ bezeichnet und konnte die Ehre gar nicht fassen. Titanic wurde bekannt, Rau verlor. Nun verliert wieder die Bundesregierung: Eine kleine Kirchengemeinde in Recklinghausen stellt satirische Poster ins Netz und die Bundesregierung schafft es nicht, sie stillschweigend zu belächeln. Taktisch unklug – außer für die Kirchenmänner, deren Privatvergnügen nun öffentlich Schlagzeilen macht.
KOMMENTAR VONANNIKA JOERES
Diese Posse zeigt, wie nervös Schröders Truppe ist. Wenn ab ersten Januar für viele Menschen der Hartz-IV-Alltag beginnt, könnte auch die grundlos steigende Sympathiekurve für Rot-Grün wieder abstürzen. Schon die Montagsdemos haben gezeigt, wie öffentlicher Protest die gesamte Stimmung aufheizt. Bis heute gilt die Agenda 2010 zu Recht als Armutsrisiko, daran haben auch ein paar weichgezeichnete Plakate an Bushaltestellen nichts ändern können. Den Grad der Nervosität zeigt auch die Größe der Werbemaschine an, die Rot-Grün ab Januar anschmeißen will: Zahlreiche Agenturen sollen die weitreichenden Kürzungen so richtig sympathisch machen. Weil das beinahe unmöglich wirkt, hätte Schröder jetzt schweigen sollen. Wie Helmut Kohl, der jede grobe Anfeindung erfolgreich sechzehn Jahre lächelnd aussaß.