Kinderlos ab Januar

Tageseltern protestieren vor Sozialamt gegen Kürzungen durch Hartz IV. 250 Altonaer Kinder unversorgt. CDU-Senat gibt Bund die Schuld, SPD warnt vor „Tagespflegechaos“

Die Plakate am Eingang zum Sozialamt Altona hingen keine Viertelstunde: „Hamburg hat die Tagesmütter belogen, Kinder und Eltern betrogen“, stand auf den Aushängen, die Amtsmitarbeiter eilig abrissen. Verzweifelte Tageseltern hatten die Plakate gestern bei einer Protestaktion aufgehängt, die sich gegen die drastische Kürzung ihrer Bezüge durch Hartz IV richtete. Weil ihnen durch das neue Arbeitsmarktgesetz fast kein Geld für die Versorgung ihrer Schützlinge bleibt, werden allein in Altona 250 Kinder ihre Betreuungsplätze verlieren, wie Werner Haase vom Arbeitskreis Tagespflege Hamburg (ATH) warnte: „Die ersten Tageseltern haben ihre Kinder schon abgegeben.“

Grund ist die Anrechnung von Kindertagesbetreuung auf das neue Arbeitslosengeld II (ALG II). Zu seinen Beziehern sollen Tageseltern gehören, die bisher gleichzeitig Sozialhilfe erhielten. Aus Sicht des Sozialamtes steht ihnen der Aufwandsersatz für die Kinderbetreuung nicht mehr zusätzlich zu. Durch die Anrechnung auf das ALG II bleibt aber kaum Geld übrig, um den Kleinen Mahlzeiten oder gar Freizeitspaß zu bieten (taz berichtete). „Das Sozialamt darf die zweckbestimmten Pflegegelder der Kinder nicht als Einkommen voll auf unser ALG II anrechnen“, rügte der ATH. „Die Eltern haben ihren Beitrag ans Jugendamt ja gezahlt“, kritisierte Tagesmutter Stefanie Stuhlmann, „aber Geld, damit ihre Kinder essen können, ist jetzt nicht da.“

Wie die ALG-II-Verordnung von Rot-Grün in Berlin zu deuten ist, darüber herrscht indes Unsicherheit. Während die für die Umsetzung von Hartz IV verantwortliche Wirtschaftsbehörde zunächst daraus zitiert hatte, „die nicht erwerbsmäßige Pflege ist anrechnungsfrei“, ruderte sie gestern zurück. Zumindest der Teil des Aufwandsersatzes, der nicht zweckgebunden ist, müsse laut Bundesgesetz mit der Stütze verrechnet werden, so Sprecher Christian Saadhoff. Damit meint er das im Pflegesatz enthaltene Erziehungsgeld von maximal 110 Euro monatlich pro Kind. Die Stadt werde, versprach Saadhoff, „in dieser Frage aber noch einmal auf den Bund zugehen“.

Die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andrea Hilgers hat die ALG-II-Verordnung aus der Feder ihrer eigenen Partei auch gelesen. „Und ich verstehe die so, dass die Gelder nicht miteinander verrechnet werden“, mahnte Hilgers, die ergangenen ALG-II-Bescheide zu überprüfen. Auch sei Hamburg auf die Tagespfleger angewiesen, die stadtweit rund 600 Kinder betreuen. „Damit es zum 1. Januar kein Tagespflegechaos gibt“, forderte Hilgers, „müssen sich Sozial- und Wirtschaftsbehörde dringend verständigen.“ EVA WEIKERT