Die Geister-Firma von RWE

RWE ist in der nordrhein-westfälischen Politik tief verwurzelt. Zur Landschaftspflege in den Kommunen leistete sich der Essener Stromkonzern sogar eine eigene Tochtergesellschaft

VON KLAUS JANSEN

Mit Laurenz Meyer und Hermann-Josef Arentz hat es zwei Promis erwischt. Einzelfälle sind die über ihre Gehaltsaufbesserungen durch den Stromkonzern RWE gestürzten CDU-Bundespolitiker jedoch nicht. Zusätzlich zu den rund 200 Kommunalpolitikern, die auf der Payroll des Unternehmens stehen sollen, leistete sich RWE von 1994 bis zum Sommer 2004 sogar eine eigene Firma für kommunalpolitische Lobbyarbeit: Die RWE Infrakom, eine 90-prozentige Beteiligung des Energieriesen.

Laut Eigenwerbung diente die RWE Infrakom als „aktives Bindeglied“ zwischen Konzern und kommunalen Entscheidern. Der selbst ernannte „Türöffner“ vermittele „Kontakte auf höchster Ebene“, warb RWE noch im September 2002 in einer Informationszeitschrift für Städte und Gemeinden. Im Sommer 2004 löste RWE die Infrakom „im Zuge der allgemeinen Umstrukturierung des Konzerns“ auf: Die Aufgaben würden künftig vom Vertrieb übernommen, teilte das Unternehmen mit.

Als Geschäftsführer der mit dem bescheidenen Eigenkapital von 69.000 Euro ausgestatteten Sechs-Mitarbeiter-Firma Infrakom fungierten bekannte CDU-Kommunalpolitiker: Der ehemalige Mönchengladbacher Oberstadtdirektor Jochen Semmler und der Bochumer CDU-Fraktionschef und Oberbürgermeisterkandidat Lothar Gräfingholt. Ebenfalls bei der Infrakom angestellt: Wilhelm Jasperneite, bis zur Auflösung Fraktionsvorsitzender der CDU im Kommunalverband Ruhrgebiet.

An die genauen Aufgaben der RWE Infrakom mag sich Ex-Geschäftsführer Lothar Gräfingholt heute nicht mehr genau erinnern: „Das ist Sache des Konzerns“, sagt er. Der Christdemokrat hatte die Infrakom kurz vor ihrer Auflösung im August verlassen und war im Alter von 51 Jahren in der Vorruhestand gegangen. Mit seinen Ambitionen bei der Kommunalwahl im Oktober habe das Ausscheiden nichts zu tun gehabt, beteuert er: „Ich habe wegen meines Jobs keine Probleme befürchtet“, sagt er.

Auch bei der RWE Energy kann man die Arbeit der Infrakom nur noch vage umreißen: „Sie diente der Vertriebsunterstützung. Ihre Aufgabe war es, kommunalen Partnern das Portfolio des Konzerns zielgruppengenau anzubieten und Ansprechpartner zu vermitteln“, so Konzernsprecher Jens Petershagen. Konkrete Projekte könne er aber nicht nennen.

Tatsächlich hat RWE in der Zeit von 1994 bis 2004 größere Geschäfte mit Städten im Ruhrgebiet abgeschlossen: Unter anderem erwarb das Unternehmen Beteiligungen an den kommunalen Stadtwerken in Essen, Duisburg, Wuppertal und Ratingen. In keinem der vier Rathäuser kann man sich jedoch daran erinnern, dass RWE Infrakom als Vermittler aufgetreten sei. Also Geisterfirma statt Türöffner?

Für den Korruptionsforscher Martin Morlok erscheint die Konstruktion der Infrakom als mit Kommunalpolitikern besetzter Werbeabteilung zumindest problematisch. „Aus Unternehmenssicht ist es clever, so etwas zu machen. Aus demokratischer Sicht verursacht das Bauchschmerzen“, sagt der Juraprofessor der Universität Düsseldorf. Dass RWE die nordrhein-westfälische Kommunalpolitik „durchwachsen“ habe, sei für ihn nichts Neues. Da RWE zu rund einem Drittel in kommunaler Hand sei, würden auch viele Städte als Anteilseigner von guten Geschäften profitieren: „Das Ganze ist ein merkwürdiges, aber für beide Seiten profitables System.“