ausstellung
: Kunst-Altäre zwischen Kirchenkitsch und Ketzerei

Die Idee kam im Schnütgen-Museum, vor mittelalterlichen Triptychen und Andachtsbildern für den Hausgebrauch. Wen oder was beten wir heute an, fragten sich Katrin Bergmann und Stephan Brenn vom Kölner Museum für verwandte Kunst – und machten sich an die Arbeit. Heraus kam die zweite Ausstellung des Privatmuseums im Belgischen Viertel. Thema: Hausaltäre. Das klingt erst mal nach saisonal korrektem Surfen auf der Weihnachtswelle. Doch es geht um mehr.

Die Ausstellung sucht nach Altar-Nativen zum christlichen Ritualtisch, nach Dingen und Ideen, denen wir Menschen geistige Altäre errichten. Was beschäftigt uns, fragen die beiden Künstler. Was kommt in dieser Gesellschaft aufs Podest, wer sind unsere Altar-Stars? Klar: die Familie. Als idealer Lebenszweck immer hoch im Kurs, gerade zu Weihnachten. Katrin Bergmanns „Familienaltar“ ist ein Badezimmerschränkchen, in dem Waschlappen liegen, gestapelt wie bei Mutti. Was sie mit dem Wort „Familie“ verbänden, hat die Künstlerin Freunde und Bekannte gefragt. Die Antworten hat sie auf Waschlappen gestickt. „Schicksal“ lautet eine textile Replik. Auch andere Assoziationen lassen sich aus dem Schränkchen wühlen: witzige, pragmatische oder unbequeme Statements.

Mit der Familie als Wunsch- und Trugbild beschäftigt sich auch der „Fruchtbarkeitsaltar“: Aus zerbrochenen Eiern krabbeln neben süßen Babys kleine Ungeheuer. Man weiß eben nie, was einem in der Familie so entgegen schlüpft.

Ausstellungen, die christliche Ikonografie und fromme Kultobjekte als Inspiration wählen, haben es nicht leicht. Die Gefahr ist groß, dass es bei vordergründiger Ironie und beim harmlos-frechen Entweihen altbekannter Bildformeln bleibt. Die Kölner Altarschau will dieser Gefahr durch thematische Vielfalt und plakative Botschaften entgehen: Neben puppenstubenartigen Wandinstallationen, die Goldene Kälber wie Geld, Sex, Verdauung oder Frauenglück augenzwinkernd zur Anbetung frei geben, finden sich drastische Ansichten, vor denen man eher schluckt als lächelt: Ein Holzkreuz hat Johann Peter Wieghardt in seinen Altarrahmen gestellt, daran in Christuspose eine echte Hirschhaut. Das mag grell und grenzwertig sein, harmlos ist es nicht.

Sie machen Spaß und regen an, die Kunst-Altäre zwischen Ketzerei und Kirchenkitsch. Originelles, Banales, Niedliches und Gemeines liegen nah beieinander in dieser Ausstellung, deren etwas kramladige Kleinteiligkeit manchmal an die vorangegangene Wildbeschau unter dem Titel „Hirsch und heute“ erinnert. Die nächste Ausstellung soll ganz anders werden, sagen die Macher. Und bis dahin können die Besucher ja mal zum Beten vorbeikommen. Vor wem oder was auch immer. Holger Möhlmann

„Hausaltäre“: Museum für verwandte Kunst, Genter Str. 6, Köln, Do-So 14 bis 18.30 Uhr, bis 28. März 2005