Viel Geld für wenig Qualität

Vor der Auszahlung des ersten Arbeitslosengeld II sind Stadt und Arbeitsagentur voll im Stress. Um Arbeitslose zu fördern, setzen die Behörden weniger auf teure Qualifizierung als auf 1-Euro-Jobs

Von Susanne Gannott

Wenige Tage vor der Einführung von Hartz IV am 1. Januar sind die beteiligten Behörden in Köln vollauf damit beschäftigt, die pünktliche Auszahlung des ersten Arbeitslosengeld II (ALG II) ab Ende Dezember sicher zu stellen. Knapp 50.000 Anträge wurden bearbeitet, 47.000 Bescheide sind inzwischen raus, erklärten gestern Sozialdezernentin Marlis Bredehorst und der Chef der Arbeitsagentur (AA), Peter Welters. „Wir garantieren, dass jeder sein Geld rechtzeitig bekommt“, versicherte Bredehorst. Bei wem das nicht klappt oder wer kein Konto hat, der könne sein ALG II auch bar abholen. Dafür werden in den Arbeitsämtern Luxemburger Straße, Mülheim und Porz Automaten aufgestellt. Dort kann man mit einer Chipkarte, die man vom Sachbearbeiter erhält, sein ALG II bar abholen.

Auch sonst läuft das „Jahrhundertwerk“ (Bredehorst) der Umstrukturierung zur neuen Arbeitsgemeinschaft von Agentur und Stadt (ARGE) mit rund 600 Sozialamts- und 200 AA-Mitarbeitern auf vollen Touren. Allerdings werde sich das „physische Zusammenwachsen“ wohl noch bis zum Sommer hinziehen. Bis dahin würden AA und Sozialamt ihre „Alt-Kunden“ weiter getrennt an den bisherigen Standorten betreuen. Nur ein gemeinsamer ARGE-Standort wird bereits am 12. Januar eröffnet: im Dischhaus, dem alten Bezirksamt Innenstadt.

Trotz des Organisationsstresses soll der „Förder“-Aspekt von Hartz in der Stadt des „Kölner Modells“ natürlich nicht hintanstehen. „Zwar werden wir uns in der ersten Umstellungsphase nicht so um Arbeitslose kümmern können, wie wir das eigentlich wollen“, so die Sozialdezernentin zur taz. Doch im Laufe des Jahres sollen die bisherigen Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramme weiter ausgebaut werden. Dafür stellt der Bund den Kölnern insgesamt 100 Millionen Euro zur Verfügung. Davon will die ARGE 8,3 Millionen für „Vermittlung in Arbeit“ in den lokalen Jobbörsen ausgeben. 7,7 Millionen Euro werden in Lohnkostenzuschüsse gesteckt. Der größte Batzen ist mit 24 Millionen Euro für die Förderung von 8.070 Arbeitslosen in „1-Euro-Jobs“ vorgesehen: Von Parkwächtern bis Handwerken kann sich der AA-Chef hier vieles denken. Denn weil die Stadt an ihrer „Aktivierungsquote“ von 40 Prozent der über 25-jährigen Arbeitslosen festhalten wolle, obwohl der Bund nur 23 Prozent verlangt, seien „teurere“ Qualifizierungen, ABM oder „Hilfe zur Arbeit“-Stellen leider nur noch sehr eingeschränkt möglich, erklärte Bredehorst.

Insgesamt hat die ARGE für 2005 zunächst rund 25.000 Fördermaßnahmen vorgesehen, die meist ein halbes Jahr laufen sollen. Damit seien 50 Prozent des zur Verfügung stehenden Geldes verplant, erklärte AA-Chef Welters. Weitere 20 Prozent würden an die Beschäftigungsträger für laufende Maßnahmen gehen, mit dem Rest werde man im Frühjahr die „Förderinstrumente“ aufstocken, die am besten zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt taugen.

Trotz aller Anstrengungen bleibt die ARGE aber mit 4.000 geplanten 1-Euro-Jobs weit hinter den ursprünglich anvisierten 10.000 solcher „Arbeitsgelegenheiten“ zurück. Auch die hierbei geplante Zusammenarbeit mit den Kölner Wohlfahrtsverbänden werde sich erst schrittweise entwickeln, erklärte Bredehorst. Man werde zunächst weiter auf die Zusammenarbeit mit den etablierten Beschäftigungsträgern setzen.

Trotzdem kritisiert der Kölner DGB-Chef Wolfgang Uellenberg-van Dawen, dass der ARGE-Beirat aus Stadt, AA, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Handwerk und Wohlfahrtsverbänden noch nicht zusammen gerufen wurde, um einen „Qualitätsstandard“ zu verabschieden. Der soll sicherstellen, dass 1-Euro-Jobs wirklich gemeinnützig sind und keine regulären Arbeitsplätze verdrängen. Laut Bredehorst kann der Beirat aber erst dann zusammentreten, wenn die ARGE am 1. Januar formal gegründet worden sei. Trotzdem könne der DGB beruhigt sein: „Bei unserem neuen Programm wird der Beirat ein Wörtchen mitreden.“