„Suite Havanna“ im 3001
: Nachts leuchtet die Revolution

Am Anfang steht der Leuchtturm der Hafeneinfahrt von Havanna, El Morro. Er leuchtet noch, wenn Francisquito, Norma und Juan Carlos aufstehen. Drei von zwölf Habaneras mit den unterschiedlichsten Berufen, jung und alt, deren Alltag der Film Suite Havanna zeigt, vom Tagesanbruch bis in die Nacht. Aus einer kleinen Cafeteria tropft Kaffee, ein Ventilator surrt – brillante Bilder von den kleinen Dingen des Lebens.

Norma, die Großmutter des 10-jährigen Francisquito, bringt ihn in die Schule. Als sie aus dem Haus treten, ist übers Wasser El Morro zu sehen. Später kauft Francisquito auf dem Prado Erdnüsse bei Amanda, die so ihre kleine Rente aufbessert. Immer wieder gibt es solche Anschlüsse, durch welche die Tagesabläufe der ProtagonistInnen miteinander verbunden werden. Sie werden bei der Arbeit gefilmt, auf dem Weg dorthin, zuhause, bei ihren abendlichen Unternehmungen.

Es wird fast nicht gesprochen, dagegen sind oft Großstadtgeräusche und Musik zu hören. Eine alte Frau hört das Lied „Mariposas“ von Silvio Rodríguez über die Schönheit von Schmetterlingen und die Vergänglichkeit. Während Silvio noch singt, werden Bilder von einem alten Ehepaar beim Essen gezeigt, die Kamera fährt heran auf ein Foto hinter ihnen aus der gemeinsamen Jugendzeit.

Mit großer Selbstverständlichekeit wird gezeigt, dass rassistische Segregation auf Kuba eine viel geringere Rolle spielt als bei uns. Gleisarbeiter reparieren mit einfachem Werkzeug Schienenstränge und kommen mit dem Fahrrad zur Arbeit. Wenig Autoverkehr, die Busse und Züge sind voll. Mittags wird der typische kubanische Kaffee aus kleinen Tassen getrunken. Beim Betrachten dieser Sequenz ist der zehnprozentige Kichererbsenanteil am Kaffeepulver fast zu schmecken. An einem Küchentisch werden schwarze Bohnen ausgelesen und Reis. Gekocht mit Zwiebeln und vermischt entsteht daraus das typische kubanische Gericht moros y cristianos, Mauren und Christen.

Es ist viel bröckelnder Putz zu sehen, der Film spielt in der Altstadt von Havanna. Revolución steht tagsüber unscheinbar über einer Fassade. Aber nachts leuchtet die Schrift rot. Auf die Frage, wie Kuba in zehn Jahren aussieht, antwortete Pérez dem Tagesspiegel: „Ich wünschte mir, dass wir viele Dinge bewahren, die wir heute haben.“

Suite Havanna ist handwerklich außergewöhnlich gut, es gibt keine verwackelten Bilder, selbst im Halbdunkel gibt es mehr zu sehen als verschwommene Schatten. Dieser Dokumentarfilm spielt keine Authentizität vor. Regisseur Fernando Pérez ist der derzeit renommierteste kubanische Filmemacher, seit Jahrzehnten am selbst verwalteten kubanischen Filminstitut ICAIC tätig. Wie eigentlich alles, wurde auch sein Film auf der Karibikinsel viel gesehen und so lebhaft wie kontrovers diskutiert. Unter dem Titel „Polemik um Suite Havanna?“ schrieb Rolando Pérez Betancourt in der Granma: „Mit Suite Havanna hat Fernando Pérez einen der wichtigsten Filme des cine cubano abgeliefert.“ Gaston Kirsche

Do und Sa–Mi, 21 Uhr, 3001