Der neue Chef lässt sich Zeit

Mit Michael Schindhelm setzt Kultursenator Flierl seinen Kandidaten für die Leitung der Opernstiftung durch. Auf den neuen Generaldirektor warten Finanznöte und Eifersüchteleien der drei Opern. Den Job antreten will er im Juli 2005

Thomas Flierl hat sich am Ende durchgesetzt. Aber als er gestern den kommenden Generaldirektor der Opernstiftung der Presse vorgestellt hat, mochte wohl nicht einmal er selbst so recht daran glauben, dass damit die Berliner Opern gerettet seien.

Was Michael Schindhelm, der Mann seiner Wahl, zu sagen hatte, klang schon gar nicht nach einem Aufbruch zu neuen Ufern: Er komme zwar nicht nach Berlin „um eine Oper zu schließen“, versicherte er, aber er lässt sich Zeit: „Sicherlich“ werde er „Basel nicht vorzeitig verlassen“. Der Vertrag, den er dort als Intendant zu erfüllen hat, läuft zum 30. Juni 2005 aus. Schindhelm wird frühestens zum Beginn der nächsten Spielzeit sein Amt antreten.

Flierl möchte ihn „möglichst bald“ in der Hauptstadt haben und will darüber mit der Stadt Basel verhandeln. Damit wird ein Zustand um weitere Monate fortgeschrieben, der an Peinlichkeit kaum zu überbieten ist. Das Gesetz über die Opernstiftung – ein mühsam ausgehandelter Kompromiss mit der Kulturstaatssekretärin des Bundes – ist seit Anfang dieses Jahres in Kraft. Es sollte die Finanzkrise der drei Opern lösen und ihnen eine neue, sparsamere Verwaltung verpassen. Aber bis zum heutigen Tag steht es nur auf dem Papier, weil es dem Kultursenator nicht gelang, den Posten des satzungsgemäß vorgesehenen Generaldirektors zu besetzen. Kandidaten aus San Francisco und Paris winkten dankend ab, mit dem Geschäftsführer der Frankfurter Oper wurde zweimal verhandelt – ergebnislos.

Übrig blieb der Ostdeutsche Schindhelm, 44 Jahre alt und Chemiker von Beruf, um den es umgehend Ärger gab, weil er sich als 24-Jähriger mal von der Stasi hatte anwerben lassen. „Unbedenklich“, befand der mit der Prüfung des Falles beauftragte Ehrenrat, Schindhelm habe später sogar die Ausreise in den Westen geplant.

Gewiss trägt Schindhelm keine Schuld an der etwas dubiosen Kampagne, die für heftigen rot-roten Koalitionsstreit sorgte, aber sie belastet den Einstieg dennoch. Wohl um die anhaltenden Diskussionen um seine Person zu beruhigen, meinte er gestern, er könne ja schon vor seinem Umzug nach Berlin „parallel an der Spree“ arbeiten.

Offenbar ist ihm der Ernst der Lage nicht ganz klar. Laut Gesetz hat der Generaldirektor der Opernstiftung zusammen mit den Intendanten der drei Opernhäuser und des Balletts über deren Wirtschaftspläne und Verträge, über „Allgemeine Richtlinien über Ausstattung und Arbeit“ und ein „gemeinsames Marketingkonzept“ zu entscheiden. Flierl sagte, er habe eine „kommunikative“ Persönlichkeit mit „Managerfähigkeiten“ gesucht.

Die wird Schindhelm brauchen, um sich gegen die eifersüchtig gehüteten Ansprüche auf eigenständiges Profil der drei Opern durchsetzen zu können. Nötig wäre es zweifellos. Im ersten Jahr der Stiftung sind die Besucherzahlen gesunken. Vor allem die Komische Oper kämpft verzweifelt um das vergraulte Publikum aus dem Osten der Stadt. Sie verkauft im Schnitt nur 54 Prozent der Plätze. Besser stehen die Deutsche und die Staatsoper mit 65 und 76 Prozent Auslastung da. Der Finanzplan der Stiftung ist trotzdem um 2,7 Millionen Euro verfehlt worden, und die Befürchtung, dass sich abzeichnende Gewinne der Staatsoper zur Querfinanzierung der notleidenden Schwestern missbraucht werden, ist nicht vom Tisch.

Defizite in der Kasse und sinkende Besucherzahlen kennt Schindhelm gut aus seiner gegenwärtigen Arbeit in Basel. Unter seiner Intendanz sanken dort die Besucherzahlen. Das liege aber daran, sagt er, dass vor seiner Zeit fast nur Erfolgsstücke gegeben worden seien. Das lässt hoffen. NIKLAUS HABLÜTZEL

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