Freudenfest in Frankreich

Nach 124 Tagen Geiselhaft im Irak sind die beiden französischen Journalisten wieder frei. Frankreichs Regierung feiert den „Zusammenhalt aller Franzosen“ und sich selbst

PARIS taz ■ 124 Tage und Nächte hat die Zitterpartie der beiden Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot im Irak gedauert. Gestern verwandelte die Pariser Spitze das Geiseldrama in ein nationales Freudenfest. Staatspräsident Jacques Chirac unterbrach seinen Urlaub in Marokko, um die beiden Überlebenden persönlich am Flughafen zu empfangen. In einer Fernsehansprache am Vormittag nannte er die „nationale Einheit“ der Franzosen als Voraussetzung für die Geiselbefreiung und dankte allen „politischen und religiösen“ Verantwortlichen „in Frankreich und der Welt“ für ihre Unterstützung. Zur gleichen Zeit empfing Premierminister Jean-Pierre Raffarin die Minister und die Chefs der großen Parteien, um seinerseits seine „große Zufriedenheit“ auszudrücken. Bloß der Außenminister fehlte bei der Zusammenkunft im Matignon-Palast. Michel Barnier war nach Zypern unterwegs, um die beiden Journalisten mit einer Militärmaschine abzuholen.

Alle französischen Medien haben in den vergangenen Monaten täglich über das Geiseldrama berichtet. Alle machten gestern mit dem glücklichen Ausgang auf. „Endlich!“ titelte die kommunistische Humanité. „Frei!“ überschrieb der konservative Figaro seine erste Seite. Bloß die linksliberale Libération wagte eine Nuance mit der Schlagzeile: „Ein Mysterium von 124 Tagen“.

Chesnot (37) und Malbrunot (41) waren im August zusammen mit ihrem syrischen Fahrer Mohammed al-Joundi auf einer Landstraße im Irak verschwunden. Erst mehr als eine Woche später meldeten sich Entführer zu Wort, die im Namen der „Islamischen Armee des Irak“ von Paris verlangten, das „Kopftuchverbot“ an den Schulen zurückzuziehen. Das Gesetz, das sämtliche ostentativen religiösen Symbole an den staatlichen Schulen verbietet, war im März mit den Stimmen aller französischen Parteien verabschiedet worden. Es trat mit Schuljahrsbeginn am 1. September in Kraft.

Bei Bekanntwerden der Forderung der Entführer setzte in Frankreich eine nationale Mobilisierung ein, an der sich auch jene muslimischen Organisationen beteiligten, die zuvor massiv gegen das Gesetz protestiert hatten. Unter anderem hatte der im Vorjahr gegründete „Muslimrat“ seinen ersten internationalen Auftritt: Drei seiner Sprecher reisten im September nach Bagdad, um sich für die Befreiung der Geiseln einzusetzen. Sie kamen unverrichteter Dinge nach Paris zurück.

Frustrierend verlief auch die Reisediplomatie von Außenmininister Barnier. Trotz der engen französischen Kontakte in die arabische Welt und trotz der französischen Position gegen den Irakkrieg hatte Barnier monatelang keinen Erfolg.

Wie es letztlich zu der Befreiung kurz vor Weihnachten kam, wurde gestern in Paris nicht bekannt. Premierminister Raffarin versicherte, es handele sich um eine Freilassung ohne Gegenleistung. Frankreich habe kein Lösegeld bezahlt. Der rechtsliberale UDF-Chef François Bayrou kommentierte das so: „Es gibt Dinge, die ein Premierminister sagen kann. Und andere, die er nicht sagen kann.“ DOROTHEA HAHN