Iraks Guerilla kennt sich bestens aus

Nach dem Anschlag in Mossul, bei dem 18 US-Amerikaner und 4 Iraker getötet wurden, fürchten US-Militärs eine neue Qualität der Angriffe. US-Präsident George W. Bush ruft zum Durchhalten auf und besteht auf dem Wahltermin am 30. Januar

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

US-Präsident George Bush blieb bei seinem Mantra. „Unsere Irakmission ist eine Friedensmission“, erklärte er bei einer Ansprache in einem Militärkrankenhaus in Washington. Trotz wachsender Gewalt werden die Wahlen am 30. Januar dort stattfinden, insistierte er.

Auch wenn der US-Oberbefehlshaber zum Durchhalten aufruft – der bisher blutigste Anschlag auf US-Truppen, seit Bush im Mai letzten Jahres das Ende des Krieges verkündet hatte, hat die US-Militärs sichtlich schockiert. Nach neuesten Armeeangaben wurden bei dem Anschlag auf den US-Stützpunkt Merez am Flughafen von Mossul am Dienstag 18 US-Amerikaner sowie vier Iraker getötet.

Nach dem Anschlag war es zunächst nicht klar, ob es sich um ein Selbstmordattentat oder einen Raketenangriff handelte. Im Internet zeichnete die irakische Islamistengruppe Ansar al-Sunna verantwortlich für die „Märtyreroperation auf eine Kantine der ungläubigen Besatzungsstreitkräfte“. Die Echtheit dieses Bekennerschreibens wurde bisher allerdings nicht bestätigt.

Wer immer hinter dem Anschlag steckt, eines ist deutlich geworden: Die irakische Guerilla verfügt über eine bessere Aufklärung über die US-Armee als diese über die Guerilla. Sie schlugen just zu dem Zeitpunkt zu, als die Soldaten zum Mittagessen in der Kantine Schlange standen, und sie wussten offenbar, dass es unter den Militärs auf dem Stützpunkt seit Wochen eine Diskussion gab, dass die Kantine nicht befestigt genug sei. Einen neues, besseres Gebäude war gerade im Bau. Dort, wo das Plastikbesteck ausgelegt war, ist jetzt ein riesiger Krater im Betonboden. Die Kantine ist übersäht mit Granatsplittern. „Der Boden war so voller Blut, dass man darunter die Farben der Kacheln nicht mehr erkennen konnte“, beschrieb Hauptmann Pat Roddy die Szene.

Doch es ist nicht nur die Zahl der US-amerikanischen Opfer, die neue Maßstäbe setzt. Der Anschlag am helllichten Tag auf die größte Einrichtung auf dem Stützpunkt zeugt auch von einer neuen Qualität. Bisher wurden die US-Soldaten meist auf der Straße in Konvois angegriffen. Wenn Stützpunkte attackiert wurden, dann mit eiligst aufgebauten Granatwerfern, deren Fracht eher nach dem Zufallsprinzip auf dem Stützpunkt landete, ohne größeren Schaden anzurichten, und manchmal selbst die ganze Basis verfehlte. Die Soldaten selbst nahmen dieses „Blindschießen“, wie es einer von ihnen vor wenigen Monaten noch gegenüber der taz beschrieb, nicht sonderlich ernst.

Mit zunehmender Stationierungsdauer der US-Truppen lernen die Aufständischen offensichtlich deren wunde Punkte kennen. „Je länger wir bleiben, umso schwieriger wird es, denn die andere Seite verbessert ständig ihre Taktik“, erklärt US-Militärexperte Michael Hess gegenüber der Washington Post.

Die Insiderinfos von der Basis werden auch die angespannte Atmosphäre zwischen US-Soldaten und irakischen Arbeitern auf dem Stützpunkt nicht gerade verbessern. „Das zeigt, dass unsere Stützpunkte im Irak total infiltriert sind und dass Informationen über unsere Verwundbarkeit weitergegeben werden“, fürchtet Sicherheitsexperte und Ex-Marine Edward Badolato ebenfalls in der Washington Post.

In Frage gestellt werden dürfte auch erneut die US-Truppenstärke. Mossul wird seit der Rückeroberung Falludschas immer mehr zum Fokus der Guerilla. Die Angriffe haben sich vermehrt, seit dort im Lauf des Jahres die Truppen auf 8.000 Mann halbiert wurden. Wie es ein nicht namentlich genannter Sicherheitsexperte in der Washington Post fasst: „Man kann nicht eine Division mit einer Brigade ersetzen und dann erwarten, dass sie im gleichen Maße für Sicherheit sorgt.“ In Mossul ging die Unterbesetzung sogar so weit, dass das US-Militär des Öfteren, um für Ordnung zu sorgen, auf die dort stationierte irakische Nationalgarde zurückgreifen musste, die fast vollständig aus kurdischen Peschmergas besteht, die bei den Sunniten verhasst sind.

In den USA selbst lässt unterdessen das Vertrauen in die Irakmission nach. Sieben von zehn Amerikanern empfinden, laut einer Umfrage des Fernsehsenders ABCnews, die vor dem Mossul-Anschlag durchgeführt wurde, die Zahl der gefallen Soldaten als nicht akzeptabel. Erstmals glaubt eine Mehrheit von 56 Prozent, dass der Schaden des Irakkonflikts größer ist als dessen Nutzen, wenngleich eine hauchdünne Mehrheit immer noch überzeugt ist, dass der Sturz Saddam Husseins langfristig für mehr Sicherheit sorgen wird.

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