In Lurup steht ein Haus, das ist nicht zu übersehen. Vor allem nächtens
: Weihnachtliche Erleuchtung

Blinkendes Strahlen geht von ihnen aus. Sie lauern in einer friedlichen Wohngegend und ziehen Spaziergänger wie Autofahrer elektromagnetisch an: Zwei gigantische Leucht-Häuser begeistern derzeit als Highlight im düsteren Lurup touristische Heerscharen, die allabendlich herbeiströmen. Unvermittelt findet man sich staunend vor dem glitzernden Gartenzaun im Kleiberweg, mitten unter vielen murmelnden Bewunderern: Gelobet sei die Elektrizität.

Im Minutentakt rollen vor dieser Villa Kunterbunt Autos vor, die Fahrer halten kurz und schauen mit feurigen Augen. Eltern steigen mit ihren Kindern aus. Welch eine Freude! Trotz sichtlicher Aufregung herrscht andächtige Stille.

Die Jünger des Lichts pilgern gen Westen, um etwas zu erhaschen von dem erhabenen Glanz, der ausgeht von Lichterketten und Rentierschlitten, grinsenden Schneemännern, wippenden Schlümpfen, tanzenden Bären, blinkenden Eisenbahnzügen und einem rauschebärtigen Santa Claus. Geblendet von der Strahlkraft hunderter Lämpchen bleiben Passanten stehen und rufen überwältigt aus: „Man erkennt gar keine Details mehr, das leuchtet ja nur noch!“ Selbst fromme Christenmenschen verweilen auf dem Weg zur Kirche, halten inne und meckern: „Bald brauchen wir ein extra Atomkraftwerk für diese Überbeleuchtung.“ Das quietschbunte Glitzern habe nichts mehr mit Weihnachten gemein. In der Heiligen Nacht (vor zweitausendundvier Jahren) „flackerte schließlich allenfalls ein kleines Feuer“.

Gleich um die Ecke erstrahlt das andere Haus im Glühbirnen-Glanz. Es stecken mehrere Tage harter Arbeit in diesem Kunstwerk. Jedes Jahr wächst der funkelnde Figurenpark um ein paar Details. Der wetterfeste Schneemann überragt die anderen Lichtwesen bei weitem. Er ist über zwei Meter hoch und lächelt süß, während er aufs Christkindl wartet. Der Weihnachtsmann schaukelt gelassen in einer grünen Lichterkette und in den Fenstern funkeln unzählige Sterne.

Von Konkurrenz zwischen den Bewohnern der beiden Leucht-Häuser spricht hier niemand. Schließlich sind die Illuminationen ja kein Selbstzweck, sie sollen vielmehr die Kinder erfreuen. Im hektischen Geschenke-Kauf-Rausch finden sie hier erstarrtes Lächeln und neonfarbenes Blinken. Ein lieblicher Ort voller blitzartiger Reflexionen. Die grellen Installationen sind der Stolz der gesamten Nachbarschaft.

So sind nicht nur die Kinderlein gekommen und von den schrill schimmernden Anreizen beseelt. Mit klappernden Gehstöcken wackeln auch Omis und Opis von einem Lichttempel zum anderen. Mit glänzenden Augen freuen sie sich ob des bunten Scheins in dieser dunklen Welt. Wer will da noch fragen, was dieses Glück kostet.

Besonders an den Wochenenden streben die Leute dankbar herbei, um bei Glühwein und Stullen im verführerischen Lustgarten des bunten Kitsches zu wandeln. Wenn schon keine Erlösung auf Erden, dann doch wenigstens ein bisschen Erleuchtung.

Sandra Gärtner

Foto: Hendrik Doose