berliner szenen Wollmütze gesucht

Im Zug nach Hamburg

Die Jackentasche war plötzlich nicht mehr ausgebeult. Mist. Die schwarze Wollmütze war im Taxi zum Ostbahnhof liegen geblieben. Ärgerlich bestieg ich den ICE nach Hamburg zum Schnupperpreis von 19 Euro, um die neue Strecke zu kontrollieren.

Ich stand fast die ganze Fahrt über vorn beim Lokführer, schaute oft aufs Display und fand den Lokführer etwas feige, weil er immer höchstens 229 Stundenkilometer fuhr. Im neuen Bahnhof von Wittenberge dachte man an die dicken Ossis, die den Kanzler im Sommer hier mit irgendwas beworfen hatten, nur der dumme Mehdorn hatte nichts abgekriegt. Der Zug war pünktlich im Hamburger Hauptbahnhof.

Ich ging zu Karstadt Sport, fand aber keine vernünftige Wollmütze, auch nicht bei P & C. Fuhr trotzdem mit der U-Bahn zu den Landungsbrücken, um in die dreckige Elbe zu spucken und einen Kaffee in den Überseebrücken zu trinken. Die Sonne ging gerade unter, drüben neben den Lagerhallen der Speditionen und dem Blechbau vom „Herr der Löwen“-Musical. Mir war unklar, wo ich in dieser Stadt eine Wollmütze kriegen sollte, und ich sah mich schon zwei Tage frieren. Am nächsten Tag im Schanzenviertel. Manche Szeneklamottenläden hatten gar keine Mützen, manche nur Kifferteile in Jamaica-Farben, riesige Pluderteile oder sauteure von Nike und Carhardt. Draußen pfiff ein kalter Wind um die Ecke, ich wusste, dass ich in dieser Stadt keine Wollmütze mehr finden würde. In meiner Bleibe in Volksdorf durfte man, um das Kind nicht zu verwirren, nur drei Kerzen von vier anzünden. Abends wollte ich noch mal raus. Der Herr des Hauses, Taxifahrer, meinte, letztens hätte jemand eine schwarze Wollmütze im Taxi liegen gelassen. Die könne ich haben. Sie passte.

ANDREAS BECKER