Marsch durch die Institutionen

Die Rudi-Dutschke-Straße ist auf dem bezirksparlamentarischen Weg. Dort wird sie einige Hürden überwinden müssen. Erst einmal baute die CDU Barrikaden und beantragte eine Vertagung

VON WALTRAUD SCHWAB

Erste Regel im Parlamentarismus: Politiker einer Fraktion, die mit einem Antrag anderer Parteien nicht einverstanden sind, müssen auf Zeit setzen. Verschieben. Hinauszögern. In Ausschüsse verweisen. Expertenanhörungen fordern. So was in der Art. Die Geschäftsordnung gibt die Möglichkeiten vor. Das wissen die alten Hasen von der CDU in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg. Deshalb ist der Dringlichkeitsantrag der PDS, die Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße umzubenennen, der am Mittwochabend dort verhandelt wurde, erst mal aufs weihnachtliche Glatteis geschoben worden. Wörtlich ist das zu verstehen, nicht als Witz. Blitzeis hatte den Platz vor dem Rathaus zur Schlitterbahn gemacht. Als die Bezirksverordneten nach einer chaotischen Sitzung das Rathaus verließen, rutschten ihnen slapstickverdächtig reihenweise die Füße weg. Schuld hat – siehe oben – natürlich die CDU.

Richtig schlecht bestellt ist es um die Initiative der taz, die Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße umzubenennen, nicht. Die PDS hat sich der Sache angenommen. Ja, die demokratischen SozialistInnen ärgern sich, nach Aussage ihres Fraktionsführers Knut Mildner-Spindler sogar, dass sie nicht selbst auf die Idee gekommen seien. Auch die Grünen können nicht Nein zum taz-Vorstoß sagen. Irgendwie hängt ihre Existenz mit dem zusammen, was damals 1968 passierte. Und die SPD lässt ohnehin keine Chance aus, sich radikaldemokratisch zu geben, wenn es für sie keine Folgen hat. Theoretisch hat der Antrag damit schon eine Dreiviertelmehrheit im 55 Abgeordnete umfassenden Bezirksparlament.

Theoretisch – das gilt es an dieser Stelle zu betonen. Denn ein bisschen nimmt man es der taz schon übel, dass sie mit ihrem Antrag ins bezirksparlamentarische Geschehen eingreift. Nicht jeder Werbegag dieser Zeitung müsse mitgetragen werden, mahnen Vertreter der SPD, CDU und FDP an. Es wurmt, dass die taz die Initiative publikumswirksam verbreiten kann. So gibt’s halt schlechte Miene zum guten Spiel.

In den Redebeiträgen der fünf Parteien, die im Bezirksparlament sitzen, werden die verschiedensten Pros und Contras für eine Rudi-Dutschke-Straße zusammengetragen. Die PDS etwa setzt auf eine „Versöhnung der Generationen“. Verwirklicht wäre der verspätete Friedensschluss zwischen denen, die eine konservative Republik zementieren wollten, und jenen, die den Strand unterm Pflaster gesucht haben, wenn die Rudi-Dutschke-Straße vor dem Springerhaus auf die Axel-Springer-Straße träfe.

Gegen ein solches Arrangement spricht – und das macht Tine Hauser-Jabs von den Grünen deutlich –, dass es einen Beschluss der BVV von 1991 gibt, dass Straßen erst wieder nach Männern benannt werden können, wenn die Hälfte des Straßenhimmels den Frauen gehört. Dass ausgerechnet mit Dutschke, dem Vordenker des nicht sonderlich frauenfreundlichen SDS, dieses erkämpfte Recht der Frauen ausgehebelt werden soll, das passt nicht ins Konzept.

Die SPD will die Straßenumbenennungen natürlich nicht übers Knie brechen. Sie plädiert ganz radikaldemokratisch deshalb für den Weg durch die Instanzen, den die CDU schon vorab durch ihre Verschiebung auf die nächste Sitzung beschritten hat. Es obliegt damit Gumbert Salonek von der FDP, noch ein bisschen originell zu sein, indem er vorschlägt, die Kochstraße lieber nach dem Gründer des Mauermuseums Rainer Hildebrandt zu benennen. Der U-Bahnhof könne dann „Checkpoint Charlie“ heißen.

Am Ende aber sind ganz andere Szenarien möglich, wie der Baustadtrat Franz Schulz – ein schlauer Fuchs – auf dem Flur des Rathauses erklärt. Denn Thomas Flierl (PDS), der Kultursenator, habe angefragt, ob nicht auch für Hermann Henselmann, den Architekten vieler Gebäude entlang der Frankfurter Allee, ein Platz benannt werden könne. Kuhhandel nach dem Motto: Ihr gebt uns den, dann geben wir euch den, sind so zusätzlich möglich. Damit die Frauen nicht außen vor bleiben, könne als Zugeständnis vereinbart werden, dass die nächsten zehn Straßen an sie gingen. So was heißt dann Kompromiss.

Alles ist das aber längst nicht. Denn wie Schulz verschmitzt bekundet, habe man sich den Beschluss bezüglich der Benennung nach Frauen genau angeschaut. „Da wird nur von Straßen gesprochen, von Plätzen aber kein Wort.“ Direkt gegenüber dem Springerhochhaus an der Ecke Koch-/Lindenstraße sei mit der Neubebauung aber ein noch namenloser Platz entstanden. Strategisch optimal für Dutschke. Auf den Schlagabtausch diesbezüglich scheint er sich schon zu freuen. So ist das wohl, wenn Hasen und Füchse am Werk sind.