DER MADRIDER UNTERSUCHUNGSAUSCHUSS ZUM 11. MÄRZ IST GESCHEITERT
: Verlangen nach Wahrheit

Da tagt ein Untersuchungsausschuss monatelang, um die Hintergründe des Madrider Anschlags vom 11. März aufzudecken – und das Einzige, was er untersucht, ist die Befindlichkeit der spanischen Politik. Hat die Regierung gelogen? Hat die Opposition die Wahlen nur dank der Bomben gewonnen? Niemand kümmert sich um die Indizien, die von weit mehr als von polizeilicher Schlamperei zeugen.

Da werden Sprengstoffverkäufer gedeckt, obwohl Informationen darüber vorliegen, dass sie Kunden in islamistischen Kreisen suchen. Informanten zufolge soll die Polizei sogar über eine Liste derer verfügt haben, die Monate später die Bomben in Madrid legten. Nicht nur das Dynamit, sondern auch die Waffen des Kommandos gingen förmlich über den Tisch eines Kommissariats. Die Schnellfeuergewehre wurden von einem vom Dienst suspendierten Polizisten geliefert. Auch darüber will ein Spitzel die Behörden informiert haben.

Angesichts dieser unglaublichen Vorgänge verlangte die Angehörigensprecherin Pilar Manjón, ein neues, unabhängiges Gremium zu schaffen, in dem keine Parteienvertreter sitzen sollen. Doch dazu wird es nicht kommen. Die oppositionelle konservative PP sieht darin eine Missachtung des Parlaments und seiner Aufgaben, und die regierende sozialdemokratische PSOE bedauert das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für ein solches Gremium.

Antiterrorpakt, neue Sicherheitsgesetze, verstärkte Überwachung islamistischer Kreise, eine Verhaftungswelle nach der anderen – wie im restlichen Europa auch lässt die spanische Regierung keine Möglichkeit ungenutzt, um ihre Entschlossenheit im Kampf gegen den internationalen Terror unter Beweis zu stellen.

Doch solange die Regierung gleichzeitig korrupte und uneffektive Polizeistrukturen wie die in der Bergwerksregion Asturien deckt, ist ein neuer Anschlag wie der vom 11. März jederzeit wieder möglich. Und den Opfern mit ihrem Verlangen nach Wahrheit bleibt nach dem jämmerlichen Spektakel im parlamentarischen Untersuchungsausschuss nur die Hoffnung auf die Ermittlungsrichter.

REINER WANDLER