Geld sammeln für notleidende Nachbarn

Trotz wirtschaftlicher Flaute und hoher Arbeitslosigkeit bleibt das Spendenaufkommen im Revier konstant. Doch die Gelder sollen nicht mehr in die Ferne fließen: Heimische Projekte für Notleidende haben Konjunktur

RUHR taz ■ Alljährlich ist das Jahresende für viele Menschen Spendenzeit – auch in diesem Jahr. Hilfsorganisationen, die für Menschen in Not Spenden sammeln, berichten, dass die Spendenbereitschaft der Deutschen trotz Konjunkturflaute und steigender Arbeitslosigkeit wieder hoch sei. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) teilte mit, dass für das Jahr 2004 mit einem Spendenaufkommen von rund 2,3 Milliarden Euro zu rechnen sei. Damit spenden die Bundesbürger in etwa so viel wie in den Jahren zuvor.

Damit widerlegt das Institut kritische Stimmen der letzten Wochen, die befürchtet hatten, dass die Spendenbereitschaft der Deutschen angesichts der schlechteren wirtschaftlichen Lage zurückgegangen sei. Hilfsorganisationen beobachten dennoch, dass das Geld „nicht mehr so locker sitzt“, wie ein Sprecher des katholischen Hilfswerks Adveniat erklärt: „Die Spendenbereitschaft ist nach unserer Einschätzung zwar gleich geblieben, doch das tatsächliche Spendenaufkommen ist etwas geringer geworden.“ Die Organisation habe in den letzten Wochen und Monaten viele Briefe von langjährigen Spendern bekommen, die erklärt hätten, dass sie in diesem Jahr nur einen geringeren Betrag spenden könnten.

Darüber hinaus sei bei vielen Spendern und Interessenten auch ein kritisches Bewusstsein gewachsen, was die Verwendung der Spendengelder betrifft: „Das Interesse an konkreten Projekten ist größer geworden, die Leute informieren sich besser und stellen konkrete Fragen zu unseren Hilfsprojekten“, so der Adveniat-Sprecher.

Auch Martin Geukes, Geschäftsführer des Hammer Forums, bestätigt ein anderes Spendenverhalten. Zwar habe seine Organisation, die in Kriegs- und Krisengebieten vor allem Kinder medizinisch versorgt, keinen Rückgang beim Spendenaufkommen zu verzeichnen. Doch spendeten viele Menschen heute bewusster: „Wir erleben eine Abkehr weg von den großen Organisationen, hin zu kleineren, wo man sich eine direktere Verwendung der Gelder erhofft.“

Diese Einschätzung bestätigt auch Harald Westbeld von der Caritas im Bistum Münster. Einen Rückgang der Spenden kann er zwar nicht bestätigen, doch hat er ebenso festgestellt, dass mehr Wert darauf gelegt wird, wofür das Geld anschließend verwendet werden soll. Gerade die Nähe zwischen Hilfsprojekt, Spendensammler und Spender sorge dafür, dass das Spendenaufkommen weiterhin hoch sei. So bringe gerade die Haussammlung von Caritas-MitarbeiterInnen immer wieder gute Ergebnisse, „obwohl diese Form des Fundraising in den Fachbüchern als völlig überholt gilt“, so Westbeld.

Zudem glaubt der Caritas-Spendenexperte, dass auch die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland bei manchem die Spendenbereitschaft eher erhöht habe. So habe die Aktion Lichtblicke, mit der Caritas und Diakonie für notleidende Kinder und Familien in Nordrhein-Westfalen sammelt, bereits viele Spenden sammeln können. Westbeld führt das auch auf die Hartz-Sozialreformen zurück: „Die Menschen haben den Eindruck, dass die Not eben auch hier immer größer wird.“ULLA JASPER