Für Polizei und KVB ist im Prinzip jeder Fahrgast verdächtig

Die KVB jagt Schwarzfahrer und meint, dies geschehe im Interesse aller „ehrlichen Fahrgäste“. Nicht alle Fahrkartenbesitzer sind von den Kontrollen begeistert, die von einem großen Polizeiaufgebot im Rahmen der „Aktion Wintercheck“ begleitet wird. Polizei will auch andere „Straftäter“ fassen

KÖLN taz ■ U-Bahn-Station Kalk-Kapelle, später Nachmittag. Ein Zug der Linie 9 fährt ein. Kaum hält die Bahn, versperren KVB-Mitarbeiter die Türen, lassen keinen raus, ohne die Fahrscheine zu kontrollieren, zwängen sich dann in die vollbesetzte Bahn. Aus dem Lautsprecher tönt es: „Die Bahn fährt erst weiter, wenn alle Fahrgäste kontrolliert sind!“ Auf dem Bahnsteig beobachten Polizisten die Szene.

„So muss ein Polizeistaat sein“, erinnert sich Bernd Weber an diesen Novembertag. Auch er wurde kontrolliert. „Obwohl ich eine Fahrkarte hatte, wurde ich bei diesem Ordnungskräfteaufgebot nervös“, erzählt er. „Als ich deshalb das Ticket nicht sofort fand, blaffte mich der Kontrolleur an: Sie haben die Fahrkarte immer griffbereit zu halten.“ Als der arbeitslose Mineraloge dann die Treppe zur Straße hochging, passierte er wieder „jede Menge Polizisten, teilweise mit Hunden“.

Für KVB-Pressesprecher Joachim Berger war das „eine ganz normale Schwerpunktaktion, wie wir sie jetzt mit der Polizei im Rahmen von ,Wintercheck‘ durchführen.“ Mit der seit dem 26. November laufenden „Aktion Wintercheck“ will die Polizei Köln bis zum Jahr 2010 zur „sichersten Millionenstadt Deutschlands“ machen (taz berichtete). Beteiligt sind auch Bundesgrenzschutz und Ordnungsamt.

„Unsere ehrlichen Fahrgäste erwarten solche Kontrollen von uns“, ist Berger von der Wirkung solcher Aktionen auf Schwarzfahrer überzeugt. Mitte der 90er Jahre habe deren Quote bei über sechs Prozent gelegen, inzwischen sei man bei knapp über vier angekommen. Unter vier Prozent sei das Ziel. Der geschätzte Einnahmeverlust liege in diesem Jahr bei vier Millionen Euro. In der ersten Wintercheck-Woche habe man 10.700 Fahrgäste kontrolliert, jeder zehnte sei ohne gültiges Ticket gewesen. In der zweiten Woche hätten von 4.750 Kontrollierten gut 8 Prozent keine Fahrkarte gehabt. „Das müssen nicht alles Schwarzfahrer sein, vielleicht haben sie auch die Monatskarte vergessen“, sagt Berger.

Dass es bei den Massenkontrollen zu langen Wartezeiten kommt, bestreitet er. „Da ist schon unsere Leitstelle vor, die allzu große Verspätungen vermeiden will.“ Die Polizei wird hinzugezogen, um „zeitnah“ Personalien möglicher Schwarzfahrer zu überprüfen. „Und weil Straftäter auch mit der Bahn fahren“, hofft Polizei-Pressesprecher Jürgen Laggies auf Fahndungserfolge.

Die Unterstützung der KVB ist aber nur ein Teil der „Wintercheck“-Polizeiaktivitäten. So gibt es Alkoholkontrollen für Autofahrer, Geschwindigkeitskontrollen vor Schulen und es werden verstärkt Orte und Plätze kontrolliert, „an denen sich erfahrungsgemäß Straftäter aufhalten“, so Laggies. Spielhallen etwa, bestimmte Gaststätten oder der Busbahnhof Breslauer Platz. „Hier tauchen oft Frauen auf, die von Schleusern unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt wurden und hier zur Prostitution gezwungen werden.“ Vorrangiges Ziel seien Verunsicherung und Abschreckung der Szene.

Bisherige Bilanz mit Stand vom 15. Dezember: 3.928 Personen wurden überprüft, meist, weil sie sich nicht ausweisen konnten. Davon wurden 83 festgenommen, meist weil ein Haftbefehl gegen sie vorlag. 39 wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen, 185 erhielten einen Platzverweis, 102 wurden wegen Diebstahl oder Drogendelikten angezeigt.

Drei Menschen fielen auf, weil sie sich illegal in Deutschland aufhielten, erklärt Laggies auf Nachfrage. Bei einem war die Duldung abgelaufen, außerdem lag ein Haftbefehl gegen ihn vor. Eine Bulgarin mit Touristenvisum wurde bei unerlaubter Arbeit ertappt, eine Frau aus Ghana lebte noch in Köln, obwohl ihr Asylgesuch abgelehnt worden war. Sie wurde, so die Polizei, der Ausländerbehörde übergeben. Hier setzt die Kritik von Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat an. „Trotz Nachfrage wissen wir nicht, was aus den so genannten Illegalen geworden ist, die festgenommen wurden. Die Polizei verschanzt sich hinter dem Datenschutz.“

Prölß sieht Wintercheck als Gegenstück zur „fortschrittlichen Flüchtlingspolitik“, wie sie vom Rat beschlossen wurde. Polizei und Ordnungsamt blockieren laut Prölß den Dialog über den Umgang mit „Illegalen“. Sie setzten nur auf Abschreckung nach dem Motto: „Lasst Euch in Köln nicht blicken!“

Grünen-Fraktionschefin Barbara Moritz kritisiert vor allem die Fahrkartenkontrollen. Ihre Befürchtung: „Weil es das Mobilitätsticket laut Beschluss der schwarz-roten Ratsmehrheit künftig nur noch für die ,richtigen‘ Sozialhilfeempfänger geben wird und nicht mehr für alle mittellosen Arbeitslosengeldbezieher, wird sich das Schwarzfahrerproblem noch verstärken.“

jürgen schön