Die Rechten vor der Wahl

Vor der Landtagswahl in NRW debattiert die extreme Rechte über ihr weiteres Vorgehen. Bis auf wenige Ausnahmen scheint eine „Volksfront“ von NPD und „Freien Kameradschaften“ Konsens

VON HOLGER PAULER

Knapp fünf Monate vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen streitet sich vor allem die militante Neonazi-Szene über ihren Umgang mit der NPD. „Innerhalb der Rechten gibt es immer noch Debatten darüber, welche Strategie langfristig zum Erfolg führen könne“, sagt Rechtsextremismusforscher Andreas Speit. In seinem Buch ‚Braune Kameradschaften‘ hat er sich auch mit den inhaltlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Szene beschäftigt. Der Großteil der Neonazi-Szene verfolge demnach weiter das Ziel einer rechten „Volksfront“.

Gestärkt durch die Erfolge bei den Landtagswahlen in Sachsen (NPD) und Brandenburg (DVU) und das gescheiterte Verbot der NPD im vergangenen Jahr lautet das Ziel: Einzug in den Bundestag 2006. Auf dem Weg dorthin wollen NPD und DVU gemeinsam die Stimmung der Bevölkerung im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen testen. Die DVU verzichtet bei der Landtagswahl im Mai 2005 zugunsten der NPD auf eine Kandidatur.

Dass die Nationaldemokraten auch in NRW als Scharnier zu militanten Neonazis dienen, ist seit längerem bekannt. Der Bundesvorsitzende der NPD, Udo Voigt, kommt aus Viersen. Voigt dient seit vielen Jahren als Kontaktmann zwischen Neonazis und der legalen NPD. Für die Landtagswahl im Mai ist er als Spitzenkandidat aufgestellt. Der stellvertretende Landesvorsitzende der NRW-NPD Claus Cremer besetzt auf der Landesliste den dritten Platz. Der Wattenscheider wurde kürzlich wegen Volksverhetzung angeklagt. Cremer hatte am 26. Juni auf einer erst nach langem Rechtsstreit vom Bundesverfassungsgericht genehmigten Nazidemo in Bochum das Judentum in einen kausalen Zusammenhang mit Kindesmissbrauch gestellt. Jetzt droht ihm eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren.

Auf den Listenplätzen zur Landtagswahl tauchen auf den Plätzen acht und zehn mit Christian Malcoci und Daniela Wegener zwei Akteure des „Nationalen Widerstandes“ NRW auf. Auch sonst funktioniert der Schulterschluss. Der Hamburger Christian Worch, einer der Ideologen der „Freien Nationalisten“, hat sich kürzlich in einem offenen Brief für eine lose „Zusammenarbeit“ mit der NPD ausgesprochen. Alte Abgrenzungsbeschlüsse der NPD gegenüber der militanten Neonazi-Szene seien durch den neu gewählten Vorstand um Neonazi Udo Voigt nicht mehr gültig. Man wolle aber beobachten, ob die „Welle der Euphorie“ auf der sich die Nazis sehen, anhalte, bevor man zur „Volksfront aufrufe“.

Auch wenn sich die Erfolge der Rechten zumindest nicht mit Zahlen belegen lassen, so ist ihre öffentliche Präsenz gestiegen. Die Basisarbeit in den Stadtteilen, vor allem im nördlichen Ruhrgebiet hat sich nicht nur bei der letzten Kommunalwahl bemerkbar gemacht. Im Duisburger und Dortmunder Norden erzielten NPD und DVU gerade bei Erstwählern bis zu zehn Prozent der Stimmen. Dazu vergeht im Ruhrgebiet mittlerweile kein Wochenende ohne rechte Aufmärsche und Konzerte.

„Auch in den ‚Freien Kameradschaften‘ hat sich herumgesprochen, dass Basisarbeit zu Erfolgen führt“, sagt Andreas Speit. Der Flügel um Christian Worch hätte die „Jugendarbeit“ über viele Jahre abgelehnt, während die „Kameraden“ um den Hamburger Neonazi Thomas Wulff schon seit vielen Jahren in die Stadtteile gegangen seien, so Speit. Für Worch seien Aufmärsche wichtiger gewesen. Der Zulauf in den Städten hat ihn letztlich überzeugt. Vor diesem Hintergrund ist auch die veränderte Haltung gegenüber der NPD zu verstehen.

Während sich ein großer Teil der so genannten „Freien Kameradschaften“ für eine lose Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Partei ausgesprochen hat, gibt es innerhalb der Szene eine kleine Opposition, die jede Zusammenarbeit mit der NPD und anderen Parteien ablehnt. Ein Zusammenschluss von NPD, DVU und „Freien Kameradschaften“ zu einer „Volksfront“ sei mit ihnen nicht machbar, heißt es in einschlägigen Internetforen.

Auf Demos sind sie trotzdem alle vereint. Zuletzt an Heiligabend in Recklinghausen, wo in der fünften Woche in Folge etwa 80 Personen aus dem Umfeld von NPD und „Freien Nationalisten“ auf die Straßen gingen. Es redeten Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt, Christian Worch und der Kölner Neonazi Axel Reitz.