: Es war ein schönes Jahr …
Was kam, was ging, was geht: Das Medienjahr 2004 von ALDI bis ZEITUNGSFUSION. Und garantiert ohne Harald Schmidt, Günther Jauch, Thomas Gottschalk, Sabine Christiansen – und Jobst Plog
ALDI-Süd: schaltet keine Anzeigen in der Süddeutschen, weil die über geplante Betriebsratswahlen berichtete, worüber dann sonst kaum jemand berichtete.
ALLEGRA: vom Springer-Verlag „trotz außerordentlicher Leistungen von Seiten der Redaktion und des Verlags“ im Juli in Ermangelung „ausreichender wirtschaftlicher Perspektiven“ eingestellt, laut Sibylle Berg „an Dummheit gestorben“.
BERTELSMANN: verlor dank zweier böser Bücher über die Eigner-Familie Mohn (T. Schuler: Die Mohns/F. Böckelmann, H. Fischler: Bertelsmann) den Nimbus vom ethisch-sozial wertvollen Unternehmen.
CAROLINE-Urteil: macht künftig den Abdruck von überflüssigen Paparazzifotos schwieriger und stieß bei Medien, die gerne überflüssige Paparazzifotos abdrucken, auf heftigen Widerstand.
DSCHUNGEL-TV: machte eine Frau namens Desiree Nick kurzzeitig über die Stadtgrenzen Berlins hinaus bekannt.
ENGELKE, Anke: bekommt wahrscheinlich nach ihrer Weltreise die „Anke Engelke“-Show in der ARD, die sie am 21. Oktober 2005 mit Damenbart moderiert.
FRIEDMAN, Michel: hat seit Juli eine Ehefrau und seit August wieder eine Sendung im Free-TV.
FRANKFURTER RUNDSCHAU: hat überlebt, sich aber an die SPD verkauft.
GÖRLITZER ALLGEMEINE: war die erste Neugründung einer Regionalzeitung seit Jahren – und überlebte leider nur sechs Wochen.
HEINER Bremer: moderierte sein letztes „nachtjournal“ am 5. Januar und ist seitdem angeblich „für RTL u. a. als politischer Kommentator tätig“.
INTERVIEW-Autorisierungen: nutzen Politiker gern mal zur Nachzensur. Anfang des Jahres schworen viele Qualitätszeitungen inklusive taz Widerstand. Haben aber alle längst vergessen.
JOURNALISTENVERBAND, Deutscher (DJV): schmiss zwei Landesverbände (Brandenburg, Berlin) wegen Wahlmanipulation raus, wird sie aber nicht los.
KÖPPEL, Roger: verschreckt bei der Welt die Leser mit halbseitig-provokanten Leitartikeln zu seinen Lieblingsthemen auf der Titelseite.
LORENZO, Giovanni di: beendete am 19. August um 10:01 Uhr das hartnäckige Gerücht, er werde Chefredakteur der Zeit, indem er bekannt gab, dass er Chefredakteur der Zeit werde.
MTV: (siehe Viva)
N-TV: musste zum neuen Eigner RTL nach Köln umziehen. So sieht das Programm auch aus.
OTTI Fischer, „Bulle von Tölz“: Motzte gegen Sat.1, wollte mehr Geld und bekam viel Feuilleton-Applaus.
PRO SIEBEN, Fernseh-AG: setzte ihren Vorstandschef Urs Rohner vor die Tür, obwohl ihn kurz vorher Senderbesitzer Haim Saban noch geherzt hatte …
QUOTE für deutschsprachige Musik: beschäftigt nicht mehr nur Heinz-Rudolf Kunze, sondern mittlerweile auch den Deutschen Bundestag.
RTL, Ex-Marktführer: verlor nicht nur Heiner Bremer, sondern auch die Pole-Position, den Senderchef und Hansi Mahr.
RECHTSCHREIBREFORM: wurde insbesondere von der Bild-Zeitung ebenso erbarmungs- wie erfolglos boykottiert.
RUNDFUNKGEBÜHREN: steigen später und geringer als geplant. Sat.1 bedankte sich mit einer bizarren Live-Diskussion zum Thema.
SCHRÖDER, Gerhard: verkündete einen Interviewboykott gegen Bild.
SEX & THE CITY: beendete nach 94 Folgen mit einem biederen Happy End hoffentlich auch die Ära des Postfeminismus.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: werkelt immer noch am Projekt SZ 2 und verkauft zur Ablenkung Bücher und CDs.
TABLOID: kompaktes Zeitungsformat. Soll die Welt retten.
ULF Böge, Chef des Bundeskartellamts, verhindert weiter fröhlich die Fusion von Berliner Zeitung und Tagesspiegel.
VIVA: (siehe MTV)
WINDENERGIE: wehte 2004 beim Spiegel Harald Schumann weg, weil er für Chefredakteur Aust im Kampf gegen die verhassten Windmühlen nicht den Sancho Pansa machen wollte.
XAVER Schwarzenberger: erhält endlich den Ehrenpreis des Deutschen Kamerapreises.
Y-CHROMOSOME, böse: führten den SZ-Medienredakteuren die „Hand“, als sie über Anke Engelkes Sat.1-Show schrieben: „Wer will sich abends von einer Frau die Welt erklären lassen?“
ZEITUNGSFUSIONEN sollen immer noch leichter werden, sagt Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Aber sonst fast keiner mehr. CSCH, STG
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