TAUWETTER IN NAHOST: ISRAEL LÄSST INHAFTIERTE PALÄSTINENSER FREI
: Vertrauensbildende Maßnahmen

Seit Arafats Tod ist im Nahen Osten ein neuer Wind spürbar. Derzeit überbieten sich Ariel Scharon und Mahmud Abbas gegenseitig in ihren Versuchen, die eigene Bevölkerung auf eine Neubelebung des Friedensprozesses vorzubereiten und auf der jeweils anderen Seite Vertrauen zu säen. Vier Jahre brutaler Militäroperationen haben Israel in internationale Isolation getrieben, Terrorakte und Vergeltung die Palästinenser nah an den politischen und wirtschaftlichen Abgrund gebracht. Beide Seiten sind müde. Jetzt bemerkt man historische Gelegenheiten, die man nicht verpassen will.

Bereits Mitte Dezember sprach Israels Regierungschef Scharon eindringlich von Chancen zum Durchbruch im kommenden Jahr. Er bereitet den Rückzug aus dem Gaza-Streifen und dem nördlichen Westjordanland vor und hat zur Durchsetzung seines Plans der moderaten Arbeitspartei die Tore in die Regierungskoalition geöffnet. Radikalen Siedlern, die den Rückzug gewalttätig zu verhindern trachten, werden harte Gefängnisstrafen angedroht. Einer vom britischen Premier Tony Blair angeregten Nahostkonferenz zur Hilfe beim Wiederaufbau der palästinensischen Infrastruktur gab Scharon bereitwillig seinen Segen.

Selbst dass bei den ersten Kommunalwahlen im Westjordanland seit 28 Jahren nicht nur die Fatah, sondern auch die Islamistengruppe Hamas an Stärke gewann, wird von israelischen Experten positiv interpretiert: dass die Hamas Bereitschaft zeige, den Charakter einer etablierten Partei anzunehmen. Abbas, Chef der PLO, verzichtete bei der Eröffnung des Wahlkampfes um die Autonomie-Präsidentschaft zwar auf keine der Fatah-Maximalforderungen an Israel, denn er möchte ja gewählt werden. Zuvor hatte er sich allerdings deutlich genug gegen eine Fortsetzung des bewaffneten Kampfes und für einen ausgehandelten Frieden ausgesprochen.

Im Vorfeld der Wahlen am 9. Januar hat Israel diverse menschliche Erleichterungen versprochen. Die Freilassung von 159 Gefangenen lässt auf weitere solche Gesten hoffen und stärkt die Chancen des pragmatischen Abbas. ANNE PONGER