Palästinensische Häftlinge auf freiem Fuß

Freilassung von 159 palästinensischen Häftlingen im Rahmen eines mit Ägypten vereinbarten Gefangenenaustauschs. Israel setzt positive Zeichen im Vorfeld der palästinensischen Wahlen am 9. Januar. Palästinenser fordern Generalamnestie

AUS JERUSALEM ANNE PONGER

Israel hat am gestrigen Montag 159 palästinensische Häftlinge freigelassen. Diese vertrauensbildende Geste im Vorfeld der palästinensischen Präsidentschaftswahlen am 9. Januar war Teil einer Absprache mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak, der den israelischen Drusen Asam Asam, der wegen Spionage zu 15 Jahren verurteilt worden war, am 5. Dezember vorzeitig begnadigt hatte. Mehr als 7.000 Palästinenser befinden sich derzeit in israelischen Gefängnissen.

Busse brachten die palästinensischen Häftlinge aus dem Ketziot-Gefängnis in der Negev-Wüste zu drei Übergängen zwischen Israel und dem Westjordanland. 50 der Freigelassenen waren Palästinenser, die sich illegal in Israel aufgehalten hatten. Alle weiteren gehörten zu militanten Gruppen, die angeblich „kein Blut an den Händen hatten“, also keinen Israeli umgebracht oder verletzt hatten und die ohnehin in wenigen Monaten freigelassen werden sollten. Staatspräsident Mosche Katsaw verweigerte die Begnadigung von vier weiteren Häftlingen, da sie nicht den gesetzten Kriterien entsprachen.

In den vergangenen 19 Monaten hatte Israel schon dreimal palästinensische Gefangene freigelassen: im Sommer 2003 während der Verhandlungen über einen Waffenstillstand, als Teil eines Gefangenenaustauschs mit der libanesischen Miliz Hisbollah im Januar 2004 und im vergangenen Sommer, mit der Begründung, dass die Haftanstalten überfüllt seien. Mahmud Abbas, Nachfolger von Jasser Arafat als Vorsitzender der PLO und Spitzenkandidat für die Präsidentschaftswahl für die Autonomieverwaltung, hat von Israel Bereitschaft zur Generalamnestie gefordert, um radikale Gruppen von der Notwendigkeit einer Waffenruhe zu überzeugen.

Die israelische Regierung hat ihrerseits außerdem eine Reihe von Erleichterungen für die palästinensische Präsidentschaftswahl angekündigt. Die israelischen Streitkräfte sollen sich für 72 Stunden aus den palästinensischen Bevölkerungszentren zurückziehen und Straßensperren abbauen, hieß es am Sonntag. Der Personen-und Warenverkehr soll durch Einrichtung von drei bis fünf technologisch modernen „Terminals“ menschlicher gestaltet werden. Scharon hat den Präsidenten der Weltbank, James Wolfensohn, während seines Besuchs um Finanzierung dieser Terminals ersucht. Die Abfertigungshallen und 60 weitere Übergänge sollen in die im Bau befindlichen Trennanlagen zwischen Israel und dem Westjordanland integriert werden.

Ein deutlich spürbarer Versuch, die Lage zu entspannen und den Verhandlungsprozess zu erneuern, äußerte sich unlängst auch auf palästinensischer Seite. Zeitungen veröffentlichten einen Aufruf, bei dem hohe PLO-Mitglieder, Minister, Abgeordnete, Schriftsteller und andere Intellektuelle ein Ende der Gewalt und demokratische Reformen auf palästinensischer Seite forderten. „Wir bekräftigen unser Recht, uns gegen die Besatzung zu wehren, rufen aber nach Wiederherstellung des Volkscharakters unserer Intifada und Einstellung von Aktionen, die der Glaubwürdigkeit unserer Sache schaden“, hieß es in der Anzeige.

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