schwabinger krawall: goldene worte von MICHAEL SAILER
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Am Anfang hat der Jackie gar nichts kapiert. Er gehe doch nicht in einen Poeten-Islam, hat er gesagt und war ziemlich entrüstet. Das heiße Slämm!, hat der Hubsi ins Telefon gebrüllt, und gute Hasen gebe es heute nur noch bei Dichterlesungen, und er gehe da auf jeden Fall hin, weil er die ewigen Partys satt habe und vom ständigen Red Bull schon aufstoßen müsse, wenn er bloß daran denke.

Also ist der Jackie doch mitgegangen in das Lokal, wo ihm am Eingang eine sagenhaft hübsche Studentin in einem sagenhaft ausgeleierten Pullover eine Liste hingehalten und gefragt hat, ob er sich eintragen wolle; und der Jackie unterschreibt zwar normal nie gegen irgendwas, weil ihm das politische Zeug vollkommen wurst ist; aber weil er halt dranbleiben wollte, hat er „Monacofranz“ und seine Telefonnummer in die Liste hineingeschrieben, ist sich wahnsinnig originell vorgekommen und hat den Hasen gefragt, ob sie auch dichte. Das hat sie aber wahrscheinlich gar nicht gehört, weil der Andrang so groß war.

Der Hubsi und der Jackie haben sich am Tresen ein Bier bestellt und gewartet, was passiert. Zuerst haben zwei Studentinnen, die längst nicht so hübsch waren wie die an der Kasse, Sachen vorgelesen, von denen der Jackie nur mitgekriegt hat, dass es wohl um Typen geht, weil das Wort „Liebster“ so oft vorgekommen ist. Dann ist ein Kerl mit einem komischen Künstlernamen auf die Bühne gestiegen und hat ein paar Witze erzählt, die der Jackie nicht verstanden hat, und danach noch so ein Hansel, der zwar offenbar nicht lustig sein wollte, den der Jackie aber erst recht nicht verstanden hat, und wie er dem Hubsi beim fünften Bier gerade erklären wollte, dass diese Typen alle miteinander schwul sind, hat es geheißen, dass jetzt der „Monacofranz“ etwas vorträgt; und da ist dem Jackie eingefallen, dass er das ist, dass er aber gar nicht weiß, was er vorlesen soll. Der Hubsi hat ihm die Speisekarte in die Hand gedrückt, vier Schnaps bestellt, den Jackie zur Bühne geschoben und gesagt, er solle am besten auch so tun, als wäre er schwul. Wie der Jackie dann die Speisekarte vorgelesen und sich vorgestellt hat, dass er der Mooshammer ist, hat schon beim dritten Kapitel („Fettucini mit Kürbisknoblauchcreme auf Tomatencarpaccio und gebackenem Rucola an Thunfischparfait“) der Saal gerast und getobt vor Lachen, und wie der Jackie in seinem Überschwang gerade die Getränkekarte auch noch vorlesen hat wollen, hat ein Typ gebrüllt, dass die Zeit leider um sei, und den Jackie zum einstimmigen Sieger erklärt. Der Jackie hat sich nicht fragen getraut, von was er da jetzt der Sieger ist, weil er das Gefühl gehabt hat, dass man ihn verarscht und meint, dass er vielleicht wirklich schwul ist. Drum hat er den Hubsi gepackt und ist so schnell geflüchtet, dass ihm erst draußen die Studentin an der Kasse wieder eingefallen ist.

Wie sie bei der Bushaltestelle angekommen sind, hat der Hubsi gefragt, ob er eigentlich weiß, dass zum Beispiel der Thomas Mann auch stockschwul war, und da hat der Jackie so gähnen müssen, dass er, wie er den Mund wieder zugemacht hat, eine regelrechte Schneedecke auf der Zunge gehabt hat, und da wäre ihm einen Moment lang fast ein Gedicht eingefallen.