Dominator ohne Lächeln

Vor dem heutigen Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf (16.30 Uhr, RTL) gibt es nur einen echten Anwärter auf den Gesamtsieg: den Finnen Janne Ahonen, der die Saison klar beherrscht

AUS OBERSTDORFKATHRIN ZEILMANN

Eigentlich könnte man sich die ganze Aufregung ja wirklich sparen. Dass Janne Ahonen die Vierschanzentournee gewinnen wird – daran zweifelt eigentlich niemand, nachdem er von den bisher acht Weltcupkonkurrenzen sieben für sich entscheiden konnte. Man könnte Ahonen (27) die 19.370 Euro Preisgeld samt Geländewagen auch gleich überreichen, lächeln wird der schweigsame Finne bei der Siegerehrung sowieso nicht und überraschende Interviews auch nicht geben. Die restlichen Springer könnten ein paar ruhige Tage nach Weihnachten verbringen, anstatt durch die Gegend zu reisen. Sie könnten ausgiebig Silvester feiern, weil die Party nicht um 5 nach 12 vorbei sein müsste. Ahonen könnte sein Preisgeld ja hernehmen und seinen Springerkollegen eine zünftige Fete organisieren.

Niemand müsste an den Schanzen in der Kälte stehen, TV-Anstalten müssten keine Kameras, Starkstromkabel und Flutlichtstrahler in die Alpen karren. Keine Autokolonnen auf den Straßen zu den Tourneeorten, kein Stromverbrauch an den TV-Geräten. Aus Umweltschutzaspekten wäre es durchaus sinnvoll, Ahonen vorzeitig zum Sieger zu küren. Denn wer sollte ihm gefährlich werden? Adam Malysz hat in dieser Saison zwar ein Springen gewinnen dürfen, doch gefährden kann er Ahonen kaum – zu unbeständig sind die Sprünge des Polen. Und Jakub Janda aus Tschechien, Zweiter hinter Ahonen im Gesamtweltcup, versagten im entscheidenden Moment stets die Nerven. Kaum zu glauben, dass das ausgerechnet bei den Tourneespringen, den wichtigsten Wettbewerben der Saison, abgesehen von den Weltmeisterschaften im Februar, anders sein sollte.

Zugegeben, spannend wäre noch, ob es Ahonen nach Sven Hannawald (2001/2002) gelingt, alle vier Tourneewettbewerbe zu gewinnen. Der Finne selbst mag sich mit solchen Dingen aber nicht beschäftigen, brav sagt er: „Es wird sehr schwer, die Tournee zu gewinnen. Es gibt viele gute Springer.“ Nur leider konnten seine Konkurrenten das in dieser Saison nicht so recht unter Beweis stellen. Und so gilt andernorts das Prinzip Hoffnung. „Am Schluss waren die Abstände auf Ahonen gar nicht mehr so groß“, sagt etwa Österreichs Cheftrainer Alex Pointner.

Wenig schmeichelhaft für die Konkurrenz ist auch die Tatsache, dass Janne Ahonen, während die anderen ihre Sommer-Wettbewerbe absolvierten, gar nicht an der Schanze zu finden war, sondern Autorennen fuhr. Die so genannten Dragster-Rennen in Skandinavien hat er mal eben gewonnen und hat sich dann erst wieder dem Skisprungtraining gewidmet. „Wenn er diese Freiräume braucht, dann geben wir sie ihm. Das war klar abgesprochen, dass er den Sommer so verbringen kann“, sagt Finnlands Coach Tommi Nikunen.

Ahonen geht zum Lachen in den Keller, heißt es manchmal im Skisprung-Zirkus, wenn man sieht, dass sich Ahonen scheinbar so gar nicht freut. „Ich bin hier, um zu springen, und nicht um zu lachen“, lautet denn auch sein mittlerweile fast schon legendär gewordenes Motto. Doch scharfe Beobachter wissen: Ahonen kann lächeln, sogar ausgelassen lachen. Etwa, wenn er nach seinen beiden Siegen zum Weltcup-Auftakt in Kuusamo am Flughafen am Check-in-Schalter wartet und mit zwei Landsleuten scherzt. Auch auf Fotos, die ihn mit Gattin Tiia und Sohn Mico zeigen, strahlt er als stolzer Familienvater. Mehr Einblicke in sein Innen- und Privatleben erlaubt er aber kaum. Dass er vor zwei Jahren, als er die Tournee zum zweiten Mal gewonnen hatte, die Innenseite seiner Handschuhe mit dem Namen seines Sohns beschriftet und damit in die Kameras gewunken hat, ist schon als Gefühlsausbruch zu werten. Tänze, Umarmungen und Jubelschreie im Auslauf – Ahonen mag die Show nicht. In den wenigen Interviews, die er auf Englisch gibt, wählt er eigentlich nur folgende Abstufungen: „Very satisfied“, „satisfied“ oder „not so satisfied“ sei er mit seinen Sprüngen, je nach dem. Wie es in seinem Inneren aussieht, weiß so recht niemand. Vielleicht freut er sich diebisch, wenn er in Runde blickt, die jetzt eigentlich Begeisterung erwartet und doch nur höfliche Zurückhaltung, zuweilen auch Verschlossenheit vorgesetzt bekommt.

„Der Ahonen“, sagt der Österreicher Andreas Goldberger, der den Finnen seit vielen Jahren kennt, „schläft nachts besser als wir alle. Dem kann nichts etwas anhaben.“ Für die Tournee ist das nicht die schlechteste Voraussetzung.