Bin Laden ruft Iraker zu Wahlboykott auf

In einem Tonband bezeichnet der Al-Qaida-Chef diejenigen, die sich an den geplanten Parlamentswahlen beteiligen, als „Ungläubige“. Die US-Regierung denkt über eine Einbeziehung der Sunniten nach. 34 Tote bei Anschlägen

KAIRO/WASHINGTON/BAGDAD ap/dpa/taz ■ Ussama Bin Laden hat sich offenbar wieder zu Wort gemeldet. Wie der Fernsehsender al-Dschasira Montagabend berichtete, ernennt der Al-Qaida-Chef in einer neuen Tonbandaufnahme den jordanischen Extremisten Abu Mussab al-Sarkawi zu seinem Stellvertreter im Irak. Zugleich rufe er zu einem Boykott der Parlamentswahl im Irak am 30. Januar auf. Der Sender spielte Auszüge des Tonbandes ab. Eine Bestätigung seiner Echtheit gab es zunächst nicht.

Der Sprecher auf dem Band bezeichnete die Verfassung, die nach der Wahl vom Parlament erstellt werden soll, als das Werk von Ungläubigen. Deshalb gelte jeder, der sich an der Wahl beteilige, als ungläubig. Laut al-Dschasira rief Bin Laden zudem zu Anschlägen auf Ölanlagen im Irak sowie zur Unterstützung der Aufständischen auf. Die Kosten der Sarkawi-Gruppe im Irak bezifferte er auf 200.000 Euro wöchentlich. Dies kann man auch als versteckten Spendenaufruf für die Terrorgruppe verstehen.

Die irakische Wahlkommission kritisierte al-Dschasira für die Ausstrahlung von Teilen des Bandes. Adil al-Lami, Mitglied der Kommission, sagte, die Behörden ließen sich nicht einschüchtern. „Wir wissen, dass Bin Laden ein Terrorist ist, wir setzen unsere Arbeit fort, wir bestehen auf der Einhaltung des Wahltermins“, sagte Lami in Bagdad.

Einen Tag, nachdem die sunnitische Irakische Islam-Partei eine Teilnahme an den Wahlen abgesagt hatte, drängten die USA diese zu einer Korrektur ihrer Entscheidung. Außenminister Colin Powell rief die Nachbarländer des Irak, die über entsprechende Einflussmöglichkeiten verfügten, auf, diese zu nutzen, um die vermutlich größte sunnitische Partei doch noch zur Teilnahme an der Wahl zu bewegen. Powell bestritt Berichte, wonach die US-Regierung eine Ausweitung des irakischen Parlaments über die 275 Sitze hinaus wünscht, um der sunnitischen Bevölkerungsminderheit – sie stellen wie die Kurden etwa 20 Prozent der Einwohner des Landes – einen gewissen Prozentsatz am Mandaten zu garantieren.

Amerikanischen Presseberichten zufolge gibt es jedoch in Washington durchaus Überlegungen, wie man den Sunniten Sitze und Posten garantieren kann. Die New York Times und die Los Angeles Times schrieben unter Berufung auf Diplomaten, es gebe Überlegungen, ein entsprechendes Quotensystem einzuführen. Wenn die Zahl der Sitze im künftigen Parlament nicht erhöht werden soll, würde dies eine „interne“ Übereinkunft über die Sitzverteilung nach den Wahlen bedeuten – unter dem Druck der USA.

Bei drei Selbstmordanschlägen und Rebellenangriffen kamen im so genannten sunnitischen Dreieck auch gestern wieder mindestens 36 Menschen ums Leben. Der Nationalgarde-Kommandeur für Bagdad, Madhhar al-Maula, blieb nach offiziellen Angaben bei einem Selbstmordanschlag unverletzt. In Samarra und Bakuba waren Nationalgardisten ebenfalls Ziel von Angriffen. In der Umgebung der nordirakischen Stadt Tikrit attackierten Aufständische drei Polizeiwachen. B. S.

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