Auf ein Letztes! Ingo Metzmacher fragt noch einmal zum Jahreswechsel musikalisch: „Who ist afraid of 20th Century Music?“
: Abschied von einem Kultkonzert

Zum letzten Mal ist es so weit: Ingo Metzmachers alljährliche Kultveranstaltung „Who is afraid of 20th Century Music“, die Hamburger Alternative zum traditionellen Wiener Neujahrskonzert, lockt am Silvestermorgen um 11 Uhr wieder in die Hamburger Musikhalle. Und da die Nachfrage seit dem ersten Konzert dieser Art Jahr für Jahr gestiegen ist, darum gibt es das diesjährige Hamburger Silvesterkonzert auch noch einmal an Neujahr zur gleichen Zeit.

Parallel zur Live-Übertragung aus dem Wiener Musikverein wird der noch amtierende musikalische Chef der Staatsoper Hamburg einen Cocktail mit Musik des vergangenen Jahrhunderts servieren. War es in den letzten fünf Jahren so, dass niemand im Publikum über das genaue Programm Bescheid wusste, so wird dieses Jahr alles ein klein wenig anders sein. Es ist schließlich das letzte Mal, dass dieses Konzert in dieser Form stattfindet, denn Metzmachers Nachfolgerin Simone Young verfolgt mit diesem Konzert andere Pläne.

Für das diesjährige Konzert ist klar, dass das Programm aus den Höhepunkten der bisherigen Konzerte bestehen soll. Überraschungen oder Neuentdeckungen dürften deshalb dieses Jahr nicht anstehen, denn alle Stücke des Abends wurden in den letzten Jahren von Metzmacher schon einmal aufgeführt.

Zwei Konstanten haben sich in den Silvesterkonzerten der letzten Jahre herauskristallisiert: Metzmacher wird wohl wieder in launiger, leicht verständlicher Weise die von manchem als so schwierig eingeschätzte Musik erläutern. Und als letzte Zugabe dürfte wieder – in Analogie zum Radetzkymarsch beim Wiener Neujahrskonzert – Leonard Bernsteins Mambo erklingen. Dann darf das Publikum mit dem „Mambo“-Ruf selbst ein letztes Mal ins musikalische Geschehen eingreifen und anschließend beschwingt den Weg nach Hause antreten. Möglicherweise wird sich dabei mancher Konzertbesucher fragen, warum eine solche, gerade begonnene, dabei spektakulär erfolgreiche Tradition von Metzmachers Nachfolgerin abrupt beendet wird.

Hamburg hatte sich mit dieser Veranstaltung von Anfang an wohltuend vom grauen Einerlei aller möglicher anderer Silvester- oder Neujahrskonzerte abgehoben. Und: Was sonst fast keinem Hamburger Konzert außer vielleicht dem einen oder anderen Konzert des ebenfalls von Ingo Metzmacher wieder neu belebten Hamburger Musikfestes vergönnt war, hier gelang es alljährlich: Die internationale Aufmerksamkeit der Musikszene galt an diesem Tag der Hansestadt. Da wurde die Tatsache, dass Hamburgs Musikleben allein schon aufgrund des Fehlens eines zeitgemäßen Konzertsaales keinen Metropolen-Charakter hat, ausnahmsweise einmal vergessen und über dieses Konzert europaweit berichtet. Metzmachers Idee erwies sich als gleichermaßen originell wie attraktiv und anspruchsvoll.

Gelingen konnte dieses Experiment allerdings nur, weil das Hamburger Orchester schon im ersten Jahr Spaß daran gefunden hat, zu Silvester eben nicht die Festtagssinfonie schlechthin, Beethovens Neunte, zu spielen, sondern Ungewohntes und dabei sehr Unterschiedliches aus dem 20. Jahrhundert in Angriff zu nehmen. Das Spektrum reichte von Film- und Schauspielmusikauszügen bis zu höchst anspruchsvollen, aktuellen sinfonischen Werken. Sogar Uraufführungen wurden ins Programm integriert, oder man kontrastierte Fin de Siècle-Klänge mit Stücken von Dieter Schnebel oder Wolfgang Rihm.

Dem Publikum wurde fünf Jahre lang durch das alljährlich gleichermaßen virtuos aufspielende Hamburger Orchester die Ohren geöffnet für die Vielfalt und den Unterhaltungswert der Musik des 20. Jahrhunderts. Wer gerne in dieses Konzert gehen möchte, der sollte sich an Neujahr auf den Weg machen, denn der Silvestertermin ist ausverkauft. Alle fünf bisherigen Hamburger Silvesterkonzerte Metzmachers liegen übrigens seit kurzem als CD-Box vor. Als Bonus gibt es eine CD mit einem erhellenden Interview mit dem Dirigenten und einigen seiner Moderationen. Reinald Hanke

Freitag, 31. Dezember (ausverkauft) und Samstag, 1. Januar, jeweils 11 Uhr, Musikhalle, Großer Saal