Um acht ist Feierabend

Überall in Bremen sprießen die bis spät nachts geöffneten „Quickshops“ aus dem Boden. Nur im Ostertor-Viertel ist das nicht erlaubt. „Im Einzelfall bedauerlich, grundsätzlich aber gut“, sagen die Einzelhändler im Quartier

Kaufleute sehen sehr individuelle Auslegung des Verbots

Bremen taz ■ „Geöffnet bis 23 Uhr“ – ihre frisch gedruckten Visitenkarten kann Johanna Gutowski wohl gleich wieder einstampfen. Ein Zeitungslädchen im Viertel, mitten am O-Weg gelegen, hat sie zum so genannten Quickshop aufgepeppt. Zeitung und Wein, Schwarzbrot und Sixpacks sollte es hier geben, Proviant für NachtschwärmerInnen und Klopapier für die Vergesslichen, auch jenseits des Ladenschlusses. Sollte.

Pünktlich zur Eröffnung Anfang Dezember hat das Bauordnungsamt Gutowski nämlich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Um den gesetzlichen Ladenschlusszeiten ein Schnippchen zu schlagen, hatte Gutowski eine Gastronomie-Konzession beantragt – ein übliches Vorgehen. Kein Problem, habe ihr das Bauordnungsamt zunächst signalisiert, sagt Gutowski. Dann kam der Brief: Dem Laden am O-Weg könne man leider keine Konzession erteilen, beschied die Behörde. Abends um acht müssten hier die Rolläden runtergehen, feiertags auch. Nachtleben hin, Nachtleben her.

Hundert Meter weiter stadtauswärts oder fünfzig Meter weiter stadteinwärts oder schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite wäre Gutowski das nicht passiert. Die Konzessionssperre, die Mitte der 80er-Jahre die Ausweitung der Rotlichtszene im Viertel verhindern sollte, ist nämlich jenseits des Sielwall längst aufgehoben, eine Initiative der Grünen im Beirat Östliche Vorstadt. Stadteinwärts des Sielwall, wo der Beirat Mitte das Sagen hat, ist die Sperre zwar weiterhin gültig, allerdings nur entlang der Straßen und nicht mehr an Plätzen. Es gebe eine „sehr individuelle Auslegung“ des Verbots, sagt Norbert Caesar, Vorsitzender der Einzelhändler-Vereinigung. Das Viertel, „in Einzelfällen“ sei es durchaus möglich, „damit konstruktiv umzugehen“. Und alteingesessene Geschäfte, die schon vor der Sperre eine Konzession besaßen, durften die ihre sowieso behalten. Der Quickshop am Eck, der Feinkostladen am Ullrichsplatz und der Kiosk im Kino gegenüber – sie alle sind aus diesem Grund im Besitz einer Konzession. Gutowskis Laden kriegt keine. „Wenn die anderen das dürfen, warum sollen wir das dann nicht auch dürfen?“, fragt sie.

Besonders ärgerlich findet sie, dass es ihr ja nicht um eine Ausschank-Erlaubnis im eigentlichen Sinn, sondern nur um die längeren Öffnungszeiten gehe. „Ich will aus dem Laden keine Kneipe machen“, sagt sie: „Das ist ein Quickshop.“ Dem Amt hat sie erst einmal einen Widerspruch geschickt.

Unterstützung von Seiten der anderen Einzelhändler im Ostertor-Viertel hat Gutowski allerdings nicht zu erwarten. Zwar habe man mit einem Quickshop, wie sie ihn gerne betreiben würde, kein Problem, sagt Caesar. Gastronomie-Konzessionen aber seien stets an ein bestimmtes Grundstück und nicht an einen bestimmten Betreiber gebunden. Sei sie also erst einmal erteilt, habe man keine Möglichkeit mehr, an dieser Stelle etwa eine – unerwünschte – Kneipe zu verhindern. Weswegen Ausnahmeregelungen „praktisch nicht machbar“ seien. Die Konzessionssperre im Ostertorviertel, sagt Caesar, „ist im Einzelfall bedauerlich, grundsätzlich aber gut.“

Gutowski hofft derweil auf eine andere, elegantere Lösung ihres Problems. Würde nämlich der Ladenschluss an sich aufgehoben, dann könnten Quickshops auch ohne Gastronomie-Konzession bis spät in die Nacht ihre Waren feilbieten. Nur: Dazu wird es in absehbarer Zeit wohl kaum kommen. Denn die Geschäftszeiten sind Verhandlungsmasse der Förderalismus-Reformer. Und die konnten sich bekanntlich erst vor kurzem nicht einigen. Armin Simon