Pop zum Schneeschippen

Max Mutzke hat mit Stefan Raab ein Album produziert: Kann es aber besser sein als „Can’t Wait Until Tonight“?

Der nunmehr 23-jährige Musiker aus Waldshut war ja in Deutschland der Pop-Prinz des ersten Halbjahres: Im Januar noch im Casting für Stefan Raabs Grand-Prix-Show – und fünf Monate später, samt Nummer-1-Platzierung in den Charts und haushohem TED-Votum im Rücken, als einer der Favoriten beim Eurovision Song Contest in Istanbul für das rot-grüne Deutschland am Start: So einer war, auch in der taz, irgendwie konsensfähig. Sechs Monate – auch geschuldet seinen Abiturprüfungen – hat es gebraucht, um dem Hit ein profiltaugliches Album hinterherzuschicken.

Im Januar wird es in den Plattenläden sein, Titel, schlicht: „Max Mutzke“. Die Single, immerhin, ist schon auf dem Markt: „Schwarz auf weiß“. Eine kleine Mogelpackung, denn diesen Song hat Mutzke schon mit seiner Band „Project Five“ eingespielt, damals, als er noch ein Schüler im Schulstress war und ohne höhere Ambitionen popmusikalischer Art. Nun, der Text scheint tatsächlich das Produkt eines frisch Verliebten zu sein: Schwarze Haut trifft auf weiße, also Max lernt seine Freundin Nazu kennen. Seine Stimme, klar, unwahrscheinlich gut – im deutschen Unterhaltungsbereich für Jugendliche gibt es keinen Sänger, der es besser könnte, weder in den Phrasierungen noch im Hinblick auf Oktaven oder Volumen. Er hat den Soul einfach raus, sozusagen, um eine gewisse Orientierung zu geben.

Aber auf die Dauer geht das Album in seiner 13-teiligen Gänze, geht Max Mutzke doch ein wenig aufs Gemüt, um nicht zu sagen – auf die Nerven: Stets scheint es um größte und wichtigste Gefühle zu gehen. Immer bluesgestrickt die Arrangements, kaum Verhaltenheit im Ausdruck: Der Mann will hörbar und immer alles unter Beweis stellen.

Muss er aber nicht: Der Song „You“ (in dem es um nichts als die Liebe von einem Mann zu einer Frau geht, worum auch sonst) ist zweimal enthalten – in seiner akustischen Version, mager fast in der instrumentalen Einkleidung, ist ein Sänger zu genießen, der sich auch auf die Zwischentöne versteht. Auf dieser Spur müsste er vielleicht bleiben, um nicht irgendwann sich selbst eingestehen zu müssen, dass er bereits mit der Abreise aus Istanbul im vorigen Mai seine berufliche Zukunft unter der Pop-Sonne hinter sich hatte.

Wäre aber schade: Den Zeitgeist will er nicht bedienen, gesprächsweise lässt er vernehmen, er sei ein normaler junger Mann, der gerne normal und ohne Aufruhr lebt – und doch, in gewissen Portionen, das Abenteuer liebt. So einen müsste man ja gern haben: Nicht einvernehmbar für irgendwelche Zwecke – seien sie politisch korrekt oder nicht –, nicht festzulegen. Aber Pop, die Idee als solche, lebt vom Abonnement auf das Heutige, das Angesagte, das Coole, das Opportune: Max Mutzke ratlos?

Oder auch nicht. Er ist so korrekt, dies alles, die ganze Statement-Huberei („Max, was denken Sie über Dies & Das?“) nicht zu wollen. Er sieht immer noch aus wie ein Nachbarsjunge, der gern beim Schneeschippen hilft oder der Großmutter beim Kohlenschleppen unter die Arme greift. Immerhin zeigt er auf dem Maxi-CD-Cover von „Schwarz auf weiß“, dass er so ganz zeitlos nicht scheinen will: Sein Kopf wird gekrönt von einem gestrickten Wollkäppi, Marke HipHop zum Liebhaben.

Stefan Raab hat ihm ein schönes, unaufregendes Album produziert. Sein Schützling war bei ihm in guten Händen. JAF