Wo bleibt die Regierung?

Fern der Metropolen lässt in Sri Lanka die Hilfe auf sich warten. Als Erste reagieren private Initiativen

COLOMBO taz ■ „Spielzeug brauchen wir und Schulmaterial. Die Kinder sollen Kontinuität haben, damit sie weniger traumatisiert werden.“ Ein buddhistischer Mönch, der zwischen Computer und Handy an einem voll geräumten Schreibtisch sitzt, leitet ein Schulungs- und Einkehrzentrum in Mount Lavinia, einem Vorort von Colombo. Für die nächsten Wochen wurde das Zentrum in eine Herberge für rund 120 Obdachlose verwandelt. So nahe der Hauptstadt funktioniert die Versorgung tadellos. An der Süd- und Ostküste denkt man allerdings noch nicht an Spielzeug.

„36 Stunden nachdem die Flut zugeschlagen hat, ist noch keine Hilfe nach Galle und Matara gekommen“, schreibt der freie Journalist Mahangu Weerasinghe nach einem Besuch in den beiden Städten im Süden. Sein kritischer Artikel, in dem er von Plünderungen von Hilfslieferungen durch die Polizei berichtet, wurde in seinem Stammblatt, der Sunday Times, nicht abgedruckt. „In Habantota lagen (Montagabend) noch 5.000 Tote in den Straßen. Wo bleiben die Vereinten Nationen, wo das Rote Kreuz?“ Tatsächlich kam die erste Hilfe von lokalen Spendern und nationalen NGOs. Der schwerfällige Apparat der UNO hat zwar vergleichsweise schnell reagiert. Das Entwicklungsprogramm UNDP genehmigte 100.000 Dollar an Soforthilfe, die Hochkommission für Flüchtlinge schickte 18.000 Plastikmatten und ebenso viele provisorische Plastikdächer, die WHO sandte acht medizinische Experten und eine Ladung der dringendsten Medikamente. Doch bis das sehnlich erwartete Material in den Krisengebieten ankommt, vergehen Tage.

David Spackman ist gerade mit einem Team von elf Freiwilligen in Colombo gelandet. Im UNDP-Büro wartet er auf ein Fahrzeug zum nationalen Krisenstab. „Map Action“ steht auf seinem blauen Polohemd. „Kein Wunder, dass Sie noch nie von uns gehört haben“, erklärt er, „uns gibt es erst seit einem Jahr.“ Die Organisation, die fast nur aus freiwilligen Experten besteht, spezialisiert sich auf das Erstellen und Ergänzen von Landkarten: „Wenn eine Katastrophe passiert, muss man erst einmal wissen, wo die größten Schäden entstanden sind. Sind die Straßen passierbar? Welche Brücken sind eingestürzt? Wo gibt es medizinische Versorgung? Wo sind die Obdachlosen untergebracht?“ Das Map-Action-Team, ausgerüstet mit GPS-Ortungsgeräten, Laptops mit Landkarten-Software und Satellitentelefonen, wurde von den Vereinten Nationen angefordert.

In den Straßen von Colombo sind junge Leute mit Sammelbüchsen allgegenwärtig. Bei allen Organisationen melden sich ständig freiwillige Helfer, die ihren Beitrag leisten wollen. Über tausend sind es sicher, meint Jeevan Thiangarayah, der Direktor des Center for Humanitarian Assistance (CHA). 86 Agenturen und Organisationen, einschließlich der UNO und des IKRK, sind in dieser Koordinationsstelle zusammengeschlossen. Eigentlich wurde das CHA für Frieden und Entwicklung in den Bürgerkriegsgebieten geschaffen. Jetzt dient das Büro als Drehscheibe für Katastrophenhilfe. Die Bereitschaft der Bevölkerung, einen Beitrag zu leisten, sei beeindruckend. Auch Banken, Unternehmen und Universitäten hätten spontan in der einen oder anderen Form ihre Hilfe angeboten. Die Schulferien, die eigentlich am 3. Januar enden, wurden um noch unbestimmte Zeit verlängert. Manche Leute haben sich einen Monat Urlaub genommen, um ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Die Freiwilligen schnüren die Lebensmittelpakete, laden und entladen die Lkws oder besetzen die Telefone, die 24 Stunden zur Verfügung stehen. Wenn man auf die Regierung gewartet hätte, dann wäre lange nichts passiert, klagt Thiangarayah: „Wir haben dann die Sache selbst in die Hand genommen und Lieferungen auf den Weg geschickt.“

Freiwillige aus dem Ausland seien willkommen, sagt der Experte, bei dem ständig das Telefon klingelt: „Vor allem, wenn sie über lokale Organismen koordiniert werden und Material mitbringen.“ Besonders Medikamente und Gerät für die Aufräumungsarbeiten sind auf dem lokalen Markt nicht zu bekommen. Bisher gibt es auch keine wirksame Seuchenprävention. Wassersterilisierungstabletten müssen importiert werden: „Wennn nicht schnell geholfen wird, dann verschärft sich die Katastrophe zusätzlich.“ RALF LEONHARD