Millionen Menschen in Not

UN-Experte: Bis zu fünf Millionen Menschen von den Folgen der Flutkatastrophe bedroht. Hilfsorganisationen befürchten den Ausbruch von Seuchen. Bundeskanzler Schröder: Bisher sind 26 deutsche Todesopfer identifiziert, noch tausend vermisst

BERLIN/GENF taz/afp/rtr ■ Millionen Menschen in den von der Flutkatastrophe betroffenen Gebieten sind bedroht. Der Chef des Krisenzentrums der Weltgesundheitsorganisation (WHO), David Nabarro, sprach von bis zu fünf Millionen Menschen, denen jetzt das Nötigste zum Leben fehle. „Entweder haben sie kein Wasser, oder ihre sanitären Einrichtungen sind unzureichend, oder sie haben nichts zu essen“, sagte Nabarro gestern in Genf. Durch Seuchen könnten noch einmal so viele Menschen sterben wie durch die Fluten. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef warnte gestern vor Cholera, Malaria, Durchfall und Dengue-Fieber.

Innerhalb von zwei bis drei Wochen müsse es gelingen, die Menschen in den Katastrophengebieten mit Wasser, Lebensmitteln, Unterkünften und sanitären Einrichtungen zu versorgen, sagte Nabarro. Dann könne ein großflächiger Ausbruch von Seuchen verhindert werden.

Die vorläufige Gesamtzahl der Todesopfer der Flutkatastrophe stieg gestern auf 77.700. Die Zahl könnte nach Einschätzung des Roten Kreuzes 100.000 übersteigen, wenn die Lage auf den indischen Andamanen und Nikobaren überprüft worden sei, sagte der Koordinator Peter Rees von der Internationalen Föderation des Roten Kreuzes in Genf. Die Behörden dort geben die Zahl der Todesopfer mit etwa 4.000 an. Aber 30.000 Menschen werden noch vermisst.

Ein UN-Vertreter in der indonesischen Hauptstadt Jakarta sagte der Nachrichtenagentur AFP, allein im Norden der dem Epizentrum des Seebebens am nächsten gelegenen Insel Sumatra könnten zwischen 50.000 und 80.000 Menschen getötet worden sein. Er berief sich dabei auf Informationen, die sein UN-Büro für die Koordination humanitärer Hilfen in Jakarta von örtlichen Behördenvertretern erhielt. Indonesiens Behörden nannten bisher eine vorläufige Zahl von 45.268 Todesopfern. In Sri Lanka stieg die vorläufige Zahl der Toten gestern auf 22.493.

Bisher sind unter den Toten insgesamt 26 Deutsche identifiziert worden. Diese Zahl nannte gestern Bundeskanzler Gerhard Schröder vor der Presse in Berlin. Etwa eintausend Deutsche würden noch vermisst. Der Kanzler kündigte an, die deutsche Soforthilfe auf 20 Millionen Euro zu erhöhen. Laut der UN-Abteilung zur Koordinierung internationaler Hilfe (OCHA) sagten einschließlich Deutschlands 25 Staaten 150 Millionen Dollar Hilfe zu. Jetzt kommt es darauf an, sie effektiv einzusetzen.

HAN

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