rhetorik für profis
: Von der Flut bis zu Hartz IV

Ole von Beust ist ein Rhetor allererster Sahne. In einer Art verschriftlichter Neujahrsansprache, mit der der Bürgermeister gestern die Redaktionen versorgen ließ, gelingt dem Mann das Kunststück, eine gedankliche Brücke von der Flutkatastrophe in Asien hin zur Sozialpolitik seines Senats zu schlagen. „Die schrecklichen Bilder aus Asien, das unermessliche Leid der Menschen haben uns in den letzten Tagen des Jahres 2004 berührt und bewegt“, beginnt Beust seine Stellungnahme zum Jahreswechsel und kommt zu der stupenden Erkenntnis, dass es trotz aller Technik und Erfindungen „nie ganz gelingen“ werde, „die Natur zu beherrschen“.

Dann wird der Regierungschef persönlich: Ihm höchstselbst habe „dieses unfassbare Ereignis auf drastische Weise verdeutlicht, dass wir in Deutschland und in Hamburg ein privilegiertes Leben führen“. Und schwuppdiwupp ist Ole unter fortschreitender Benutzung des umarmenden Personalpronomens „wir“ bei Hartz IV: „Dennoch klagen wir ständig“, greint er nämlich, „wenn dringend notwendige Reformen angestoßen werden.“ Zwar könne er Menschen verstehen, die „nicht wissen, was mit Veränderungen wie Hartz IV im nächsten Jahr auf sie zukommt“. Verharrung in alten Strukturen jedoch könnten „wir“ uns nicht mehr leisten. „Wir müssen mutig Reformen angehen, um unseren Lebensstandard aufrechterhalten zu können“, klopft sich Beust auf die Schultern – und Asien ist wieder ganz weit weg: „Eine solch positive Aufbruchstimmung, von der ich in Hamburg schon seit langem viel spüre, brauchen wir, denn wirtschaftlicher Aufschwung hängt eng von positiven Emotionen ab.“ jox