Tanz zum Jahreswechsel

Biodanza – es geht um die Heiligkeit des Menschen, das Gefühl für den eigenen Körper, um den „Tanz des Lebens“. Biodanza-Lehrerin Antje Koolen über das Geheimnis ihrer Kunst

taz: Was ist das, Biodanza? Antje Koolen: Es ist etwa sehr lebendiges. Es ist eine Form von Persönlichkeitsentfaltung, Selbsterfahrung. Mit Tanz, Musik, Begegnung.

Da geht es aber nicht um die Persönlichkeit, die im Kopf verortet wird? Es geht um den ganzen Menschen. Es geht vom körperlichen Erleben im Tanz aus, das Erleben steht im Mittelpunkt. Dahinter steht der Gedanke, dass man nicht nach einem Sinn des Lebens suchen sollte, sondern das Leben leben. Der Tanz und die Musik bieten die Möglichkeit, ganz pur zu erleben.

Pur körperlich?

Körperlich heißt immer auch gefühlsmäßig und geistig. Die Gefühle sind immer dabei, mehr oder weniger. Wir sagen: Das Großhirn darf in Urlaub geschickt werden, aber natürlich ist der Kopf immer auch dabei, der will auch wissen, was da passiert, und macht sich so seine Gedanken und seine Bilder. Das gehört alles zusammen. Uns geht es darum, einen Raum zu schaffen, in dem die Kopflastigkeit unserer Gesellschaft nicht sein muss. Lebendig sein ohne immer zu hinterfragen, einfach zu sein.

Auch in einer normalen Diskothek wird die Musik so laut gespielt, dass der Kopf abschalten muss und man nicht verbal kommunizieren kann. Körpererfahrung steht im Vordergrund. In der herkömmlichen Diskothek sehnen sich vielleicht viele Menschen nach Körpererfahrung. Dass sie tatsächlich stattfindet, ist eher selten. In Kontakt gehen mit Menschen, im Tanz, ist in einer Diskothek eher selten. Im Unterschied zum Disko-Tanz geht es zudem um eine große Vielfalt von Bewegungsmöglichkeiten im Tanz, also auch Gefühlsmöglichkeiten, Emotionen. Powertänze, sanfte Tänze, kreative Tänze, sinnliche Tänze. Tänze, die auch so etwas wie eine Heiligkeit im Menschen zeigen können. Es ist kein reines, freies Tanzen wie in der Disko, jeder allein für sich. Da ist ein wesentlicher Unterschied.

Bei Biodanza gibt es eine Person, die anleitet. Warum?Ich inspiriere andere, ich eröffne die Möglichkeit, bestimmte Erfahrungen zu machen, die sie aber auf ihre eigene Art machen. Ich erzähle etwa über einen Tanz, gebe bestimmte Bilder vor, aber immer mit Vorbehalt: Das sind meine Bilder, jeder kann herausziehen, was er möchte, und auch neue Bilder finden. Was ich tue, nennen wir nicht Leitung, sondern auf spanisch „facilitador“. Ich bin Erleichterer, Ermöglicher.

Kommen vor allem Singles? Nein, das würde ich so nicht sagen. Alle kommen, um irgendwie ihre Lebensqualität zu verbessern. Wenn sie in einer Partnerschaft sind, und dieser Partnerschaft etwas fehlt, dann kommen sie vielleicht, um zu entdecken: Was ist es denn, was mir fehlt? Die Singles kommen vielleicht, um Kontakte zu knüpfen. Oder um herauszufinden: wie können wir Kontakte knüpfen? Das ist ja etwas, was wir verlernt haben. Außer über die verbale Schiene, und selbst das ist für manche nicht so leicht.

In den Gruppenabenden gibt es auch verbale Teile – Aufforderungen, über sich erzählen. Meine Einladung ist immer: Erzählt, was euch bewegt hat. Teilt das Gefühl mit. Was nimmst Du mit aus dem Kurs? Was bringt dir das? Schwappt da etwas über, wenn du den Raum verlässt? Wenn ich zum Beispiel die Kassiererin anschaue und sehe: Hoppla, das ist ein Mensch. Nicht nur die Kasse. Viele sagen: Sie erleben eine neu Art des Gehens. Wo und wie wir gehen. Atmen gehört auch dazu. Wie begegne ich Menschen? Es geht um die Achtsamkeit bei dem, was ich gerade tue. Arme und Hände auf sensible Art zu nutzen. Zwischen Gefühlen und den Armen und Händen eine direkte Verbindung. Ich tue die Dinge dann ganz anders.

Fragen: kawe