„Eine Bohème-Existenz“

Robert Stadlober liest Mihail Sebastian

■ ist Schauspieler und Sänger. Da er als Kind kein Fernsehen sehen durfte, ist er auch privat passionierter Leser.  Foto: dpa

taz: Herr Stadlober, haben Sie vor der Planung der Lesung im Politbüro schon einmal von Mihail Sebastian gehört?

Robert Stadtlober: Ich hatte zufälligerweise im letzten Sommer in Rumänien mit einer Galeristin gesprochen, die sagte, dass dort zurzeit einige Schriftsteller wieder entdeckt werden – und da fiel der Name Mihail Sebastian. Ich wollte mir ein Buch von ihm kaufen, aber wie es oft so ist, habe ich es vergessen. Bis dann zufälligerweise die Anfrage von Thomas Ebermann vom Polittbüro kam.

War es Ihnen wichtig, Tagebücher eines jüdischen Autors zu lesen, der nicht so bekannt ist wie Victor Klemperer oder Anne Frank?

Was mir vor allem wichtig war, ist die Art seines Schreibens. Mir war diese Ich-bezogene und teilweise banalere Sichtweise völlig neu: der Horror des Antisemitismus, der sich langsam in Rumänien ausbreitet, wird an einer alltäglichen Bohème-Existenz erzählt. Das sind Sachen, die man sehr konkret nachvollziehen kann.

Fasziniert dabei das Lapidare?

Genau, die Art, wie er kleinste Dinge beschreibt, die erst einmal fast absurd wirken. Wenn es zum Beispiel darum geht, dass alle jüdischen Bewohner von Bukarest ihre Ski abgeben müssen und das für ihn als passionierten Skifahrer einen unglaublichen Einschnitt bedeutet. Und er zugleich beschreibt, wie sich die Spirale immer weiter fortsetzt. INTERVIEW: GRÄ

„Voller Entsetzen, aber nicht verzweifelt“: Lesung heute um 20 Uhr im Politbüro