Minister Vespers alte Music-Box rockt nicht

Panik im Popmuseum: Knapp ein halbes Jahr nach der Eröffnung zieht die Rock-Ausstellung in Gronau nur wenige Besucher an. Hektische Rabattaktionen sollen das vom Land Nordrhein-Westfalen bezuschusste Projekt retten

GRONAU taz ■ Rock‘n‘Roll und Münsterland bleiben unvereinbar. Wenige Monate nach seiner Eröffnung zieht Kontinental-Europas erstes Rock- und Popmuseum in Gronau nur wenige Fans an. Statt wie zunächst erwartet mit bis zu 60.000 Gästen im Jahr rechne die Geschäftsführung nur noch mit 30.000 bis 40.000 Besuchern, berichten die Westfälischen Nachrichten. Die Besucherzahlen lägen derzeit bei knapp 120 pro Öffnungstag.

Das Museum, an dessen Entstehung der in Gronau aufgewachsene Musiker Udo Lindenberg („Ich lieb‘ dich überhaupt nicht mehr“) mitgewirkt hatte, sei daher auf finanzielle Zuwendungen der Stadt Gronau in Höhe von rund eine Million Euro im Jahr angewiesen, um den Betrieb zu sichern, sagte Museums-Geschäftsführer Andreas Bomheuer der Zeitung. Für Sonderveranstaltungen wie Konzerte oder Wanderausstellungen seien zusätzlich finanzielle Mittel aus öffentlichen Kassen oder von Sponsoren notwendig, sagte Bomheuer. Bis heute habe sich jedoch noch kein Sponsor gefunden. In den vergangenen Wochen hatte das Museum mit Rabattaktionen versucht, mehr Besucher anzulocken. Doch weder billige Monatskarten noch günstige Bahntickets für die beschwerliche Zugreise in die westfälische Provinz konnten den Trend bisher umkehren.

Die Äußerungen des Museums-Managers sind auch als Hilferuf an die Politik in Kommune und Land zu verstehen, die das Museum seit Jahren päppelt. Nach den bisherigen Plänen rechnete die CDU-regierte Stadt Gronau damit, nur 900.000 Euro im Jahr als Verlustausgleich zu dem Zehn-Millionen-Euro-Projekt zuschießen zu müssen. Allein das Land Nordrhein-Westfalen hatte seit Planungsbeginn vor fünf Jahren 4,88 Millionen Euro in das Vorhaben gesteckt. „Dieses mutige Projekt kann ein Erfolg werden“, hatte NRW-Kulturminister Michael Vesper (Grüne) vor der Eröffnung des Museums zur taz gesagt. Das „erste Popmuseum auf dem Kontinent“ – ein erster, allerdings erfolgloser Versuch für eine dauerhafte Musik-Ausstellung war Ende der 1990er Jahre im englischen Sheffield gestartet worden – solle wie ein „Magnet“ Musikfans und Touristen in die münsterländische Stadt locken.

Viele Hoffnung verbinden sich in der strukturschwachen Kommune an der niederländischen Grenze mit dem Museum. 46.000 Einwohner hat Gronau. Eine untergegangene Textil-Industrie, 15 Prozent Arbeitslosigkeit – und Kommunalpolitiker, die mit den fetten Fördergeldern Touristen in ihre Stadt locken wollten. Doch von Anfang an prägten Pleiten, Pech und Pannen die Startphase des Museums. Erst musste die Eröffnung wegen diverser Planungsfehler gleich dreimal verschoben werden, dann gab es Ärger mit den Lieferanten der Museumstechnik.

Als die Pop-Schau endlich im Juli 2004 die Türen öffnete, waren die Reaktion von Publikum und Presse negativ. Die Süddeutsche lästerte über die langweilige Exhibition und kritisierte „unvermeidliche Memorabilia, die man ähnlich aus jedem Hardrock Café kennt: Presleys GI-Uniform, Lennons Haschdose, Honeckers Schalmei-Geschenk an Lindenberg“. Auch der FAZ sagte der „Fetischcharakter“ des Museums nicht zu. Die zahlende Kundschaft nutzte neugierig die ersten eintrittsfreien Tage in Gronau und blieb dann weg. Die von NRW-Kulturminister Vesper gestiftete Music-Box aus Familienbesitz rockt ebenso wenig. Gut möglich, dass Gronau demnächst um eine erneute Gabe Vespers bitten wird. Neben Naturalien könnte das Museum weitere Steuergelder gut gebrauchen. MARTIN TEIGELER