Giftmüllberge auf dem Hafengelände

Die Entsorgung von vergiftetem Erdreich ist ein profitables Geschäft. Vor allem, wenn „Entsorgung“ heißt, einfach irgendwo abkippen. Drei Fälle hat die Bremer Staatsanwaltschaft bereits auf dem Tisch liegen. Grüne kritisieren mangelhafte Kontrollen

„Wenn so etwas keine Konsequenzen hat, wird es immer welche geben, die so schnell Geld verdienen“

Bremen taz ■ Das Geschäft ist profitabel, vor allem, wenn es illegal ist. Bis zu mehreren hundert Euro pro Tonne zahlen Firmen und Behörden für die Entsorgung vergifteten Bodens. Reinigen, unschädlich vernichten oder zumindest sicher lagern, lautet in solchen Fällen der Auftrag. Irgendwo abkippen, wo’s niemand sieht, kommt allzu oft dabei heraus. Allein die Bremer Staatsanwaltschaft hat inzwischen drei solcher Fälle auf dem Tisch. Ob im offiziell als „Landschaftsbauwerk“ firmierenden Hügel mitten im EU-Vogelschutzgebiet in der Hemelinger Marsch, ob im Lärmschutzwall entlang der A 1 zwischen Kattenesch und Arsten oder auf dem ehemaligen Raffineriegelände und Großtanklager von Mobil Oil am Ölhafen – überall wurde zum Teil hoch mit Schadstoffen belastetes Erdreich und Bodenaushub abgelagert, alles ohne Genehmigung. „Die Kontrolle des Umweltressorts funktioniert nicht so, wie sie sollte“, sagt die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Karin Mathes.

Beispiel Ölhafen: Jahrzehntelang sickerten hier aus Rohren, Tanks und bei Unfällen Mineralölprodukte in den Boden, giftige Kohlenwasserstoffe drangen vor bis ins Grundwasser, die Bomben im Zweiten Weltkrieg taten ein Übriges. Die Raffinerie wird 1974 geschlossen, der Dreck im Boden bleibt liegen. 20 Jahre später unterzeichnet Grünen-Umweltsenator Ralf Fücks mit Mobil und der Umweltschutz-Nord GmbH einen Vertrag: Für eine Mark tritt der Ölkonzern das ehemalige Großtanklager an die Umweltschutz-Nord GmbH ab, die soll den Boden reinigen und die Fläche anschließend auf eigene Rechnung vermarkten. Für das benachbarte Raffineriegrundstück schließen SPD-Umweltsenatorin Christine Wischer und CDU-Wirtschaftssenator Hartmut Perschau 1996 einen ähnlichen Vertrag. Die Bodensanierung lässt sich die Hansestadt diesmal noch zusätzliche 10,2 Millionen Euro Investitionsmittel kosten. Mobil wird in beiden Fällen von der Pflicht entbunden, seine giftigen Hinterlassenschaften zu beseitigen. Mehr noch: Für den Fall einer Insolvenz der Umweltschutz-Nord GmbH verpflichtet sich Bremen sogar, das Gelände auf eigene Kosten fertig zu sanieren – „aus nicht mehr nachzuvollziehenden Gründen“, wie der heutige Umweltsenator Jens Eckhoff (CDU) spitz anmerkt.

Der peinliche Passus in den Verträgen kommt Eckhoffs Ressort inzwischen teuer zu stehen. 2003 nämlich meldet Umweltschutz-Nord tatsächlich Insolvenz an, ein Drittel des Raffineriegeländes und die Hälfte des Großtanklagers sind da noch immer verseucht. Die vollständige Sanierung einschließlich der Kampfmittelräumung wird Bremen wohl über 20 Millionen Euro kosten.

Dabei allerdings wird es kaum bleiben. Denn statt, wie vereinbart, allein den kontaminierten Boden vor Ort zu reinigen, hat Umweltschutz-Nord über Jahre hinweg auch tausende von Tonnen Gifterde von anderswoher auf das Gelände gekarrt. Zusammen mit dem gereinigten Ölboden wanderte so etwa mit Pflanzenschutzmitteln belastetes Erdreich in die Grube. Was genau, weiß niemand: Die Behörde verzichtete auf eine ordentliche Beprobung des Materials. Mitarbeiter des Bodenschutzreferats, die gegen diese Praxis protestierten, fingen sich eine Abmahnung ihres Referatsleiters ein. Umweltschutz-Nord dürfe nicht behindert werden, habe dessen Devise gelautet.

Noch vor wenigen Monaten stritt das Umweltressort sogar ab, dass auch oberirdisch bergeweise belasteter Boden von anderswo auf dem Gelände lagert. Es handele sich allein um Erde, die „von den zu sanierenden Grundstücken stammt“, hatte Eckhoff per Pressemitteilung kundgetan. Inzwischen hat auch der Senat eingeräumt, dass auf dem ehemaligen Raffineriegelände über eine halbe Million Tonnen belasteter Boden lagern, „deren Herkunft zurzeit nicht abschließend geklärt ist“. Das wiederum ist nicht verwunderlich: Von woher überall die Umweltschutz-Nord einst Material herantransportierte, hatte die Behörden schließlich ebenfalls nie interessiert.

Die Entsorgung der illegalen Halde, teilte der Senat kürzlich den ParlamentarierInnen mit, werde wohl noch einmal einen zweistelligen Millionenbetrag verschlingen. Gerne würde die Stadt diese Kosten dem Exxon-Mobil-Konzern aufzwingen. Der jedoch sieht sich nicht mehr als Grundeigentümer. Ein Ende des Streites ist nicht absehbar, vorerst passiert – nichts.

Trotz monatelanger Ermittlungen hat die Bremer Staatsanwaltschaft bisher keines der drei Verfahren wegen illegaler Ablagerung giftiger Stoffe zur Anklage gebracht, wann es soweit sein wird, weiß niemand. „Wenn die, die so etwas gemacht haben, keine Konsequenzen befürchten müssen, wird es immer welche geben, die auf diese Art schnell Geld verdienen wollen“, sagt die Umweltpolitikerin Mathes.

Den Anfang in der juristischen Aufarbeitung wird wohl das so genannte „Landschaftsbauwerk“ in der Hemelinger Marsch machen. Auch hier hat übrigens der frühere Referatsleiter Bodenschutz im Umweltressort seine Hand mit im Spiel gehabt. Heute sitzt er bei der staatlichen Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WfG) und kümmert sich dort um die Überseestadt, sein Sachgebiet: Altlastensanierung.

Armin Simon