Mit leeren Händen

ABSTURZ Der HSV verspielt mit einem lahmen 0 : 1 gegen den 1. FC Köln die Chance, sich aus eigener Kraft für die Europa League zu qualifizieren. Nun müssen die Hamburger auf einen Patzer von Borussia Dortmund hoffen

„Man kann nicht für 42 Millionen Euro verkaufen und dann hoffen, dass man Meister wird“

HSV-Trainer Martin Jol

VON ROGER REPPLINGER

Ivica Olić kratzt sich am Kopf. Der ist ganz leer. Er macht „puh“, weil er nicht weiß, was er sagen soll. Voll sind nur die Adern am Kopf. Voller Blut. Olić ist klein für einen Fußballer. Und wenn er so in sich zusammenrutscht, vor Müdigkeit und Enttäuschung, ist er noch kleiner. Er wischt sich den Schweiß am Ärmel seines Trikots ab, denn das Einzige, was sein Körper noch hergibt, ist Schweiß. Keine Laufduelle, keine Übersteiger, keine Sprints, keine Torschüsse. Nur Schweiß.

Der HSV hat gegen den 1. FC Köln mit 0 : 1 verloren. Vor dem Spiel wurde Olić von einem Großteil der 57.000 Zuschauer mit „Ivi, Ivi“-Rufen gefeiert. Aber er wollte vor dem Spiel nicht daran erinnert werden, dass er zu Bayern München wechselt. Er ließ alle mit langen Hosen am Spielfeldrand stehen und rannte zu denen mit den kurzen Hosen auf den Platz.

Nach dem Spiel mussten die mit den kurzen Hosen – teils widerwillig – mit einem blöden Dankes-Transparent an die Fans durchs Stadion laufen. Die pfiffen.

Der HSV ist am Ende der Saison am Ende. Nicht im DFB-Pokalfinale, nicht im Uefa-Cup-Finale, gegen Bremen alles verloren. Wohl auch den Kampf um den Gladbacher Mittelfeldspieler Marko Marin, der nun offenbar lieber doch an die Weser wechseln möchte. Nun droht der sechste Platz. Der reicht nicht für jenen internationalen Wettbewerb, der künftig auf das grässliche Wort „Europa League“ hört. Es kommt auf Borussia Dortmund an. Die sind Fünfter, haben das bessere Torverhältnis, und spielen am letzten Spieltag bei Gladbach, die den Klassenerhalt noch nicht sicher haben.

Der HSV hatte sich die schlechteste Saisonleistung ausgerechnet fürs wichtige Spiel gegen die Kölner aufgehoben, für die es um nichts mehr ging. Längst vorbei die Zeiten, als die HSV-Mannschaft auf dem Zahnfleisch ging. Jetzt schleppt sie sich auf den Knochen über den Rasen. Jol begann mit der Elf, die gegen Bochum mit 3 : 1 gewonnen hatte. Ausnahme: Kapitän David Jarolím war nach Gelb-Sperre wieder dabei. Albert Streit spielte im rechten Mittelfeld und Piotr Trochowski saß auf der Bank.

Der 1. FC Köln spielte mit Viererkette, die bei Ballbesitz des HSV durch einen Libero ergänzt wurde. Jol nannte die Taktik der Kölner „zusammengefaltet“. Im defensiven Mittelfeld der Kölner stürzten sich Petit und Derek Boateng auf Paolo Guerrero und nahmen den fürs HSV-Spiel so wichtigen Mann hinter den Spitzen aus der Partie.

Das Tor, das über Sieg und Saisonverlauf entschied, fiel so: Ein langer Abschlag des Kölner Ersatzkeepers Thomas Kessler kommt zu Fabrice Ehret. Der Franzose rennt los, lässt HSV-Verteidiger Collin Benjamin stehen und schießt an den Innenpfosten.

Darauf wurde Köln noch defensiver. „Wir wissen, dass wir uns schwer tun, wenn der Gegner so kompakt steht“, sagte Jol. Streit, in seinem wohl letzten Heimspiel für den HSV ausgepfiffen, wurde ausgewechselt. Für ihn kamen Trochowski und etwas mehr Ideen ins Spiel. Er war an allen HSV-Chancen beteiligt. Das waren nicht viele. Zwölf englische Wochen hat der HSV in den Beinen, und auch wer nicht immer gespielt hat, lässt sich von der Müdigkeit der anderen anstecken.

„Man kann nicht für 42 Millionen Euro verkaufen und dann hoffen, dass man Meister wird“, schimpfte Martin Jol nach dem Spiel. „So geht das nicht. Wir müssen uns verstärken“, forderte er vom Vorstand. „Am Ende waren wir nicht breit genug aufgestellt und nach vorn fehlte die Kreativität, das hat jeder gesehen.“

Wahrscheinlich wird der HSV die Partie in Frankfurt am letzten Spieltag gewinnen. Aber es wird nicht reichen. Das ist gemein, aber das hat der Fußball mit dem Leben gemein. Genau das.