Täter mit ungewöhnlichem Wurfgeschoss

Roberto Dal Bosco attackiert Italiens Regierungschef bei einem kleinen Bad in der Menge mit einem Kamerastativ

Eigentlich war Roberto Dal Bosco bloß aus seinem kleinen Dorf in die große Stadt Rom gereist, um sich über Neujahr ein paar schöne Tage zu machen. Und eigentlich hätte das keinen interessiert: Bis zum 31. Dezember kannte niemand in Italien Dal Bosco, und so gut wie niemand hatte je von seinem Heimatort gehört, dem 7.000-Seelen-Nest Marmirolo bei Mantua in der Poebene.

So wäre es auch geblieben, wenn der 28-jährige Maurer und Hobbyfotograf sich nicht von den vier Freundinnen hätte bequatschen lassen, mit denen er schon den ganzen Tag unterwegs war. Die Mädels quengelten: Piazza Navona, der Weihnachtsmarkt, die schönen Stände.

18 Uhr war es da am letzten Tag des Jahres 2004, und Dal Bosco schickte sich gerade an, den Vier-Ströme-Brunnen von Bernini im Zentrum der Piazza abzulichten, als er eine Erscheinung hatte. Nur ein paar Meter entfernt ging da einer durch die Menge, in Fleisch und Blut, den der Maurer bisher immer nur im Fernsehen zu Gesicht bekommen hatte: Ministerpräsident Silvio Berlusconi nahm ein kleines Bad in der Menge.

Dal Bosco gab später zu Protokoll, er habe dem Regierungschef ganz impulsiv bloß „ein, zwei Klapse auf den Kopf, na eben auf die Glatze“ geben wollen. Doch zwischen seiner Hand und der prominenten Glatze war der Schwarm der Bodyguards, und kurz entschlossen funktionierte Dal Bosco seine Fotoausrüstung um, um Berlusconi doch noch nahe zu kommen. Von einem „Wurf mit dem Stativ“ berichteten noch am gleichen Abend die Nachrichten. Sekunden später lag der „Attentäter“ gefesselt am Boden und wurde zur Staatsschutzabteilung der Polizei verfrachtet. Dort soll er ausgesagt haben, er habe „aus Hass auf Berlusconi“ mit dem Stativ um sich geworfen.

Silvester war damit gelaufen, für ihn, der die Nacht im Knast verbrachte, wie für den Regierungschef, der einen Bluterguss hinter dem rechten Ohr versorgen ließ. Derweil verdammten die Koalitionspolitiker im Chor den „feigen Akt“, der Ergebnis der „Hasskampagne der Linken“ gegen Berlusconi sei.

Davon will Dal Bosco allerdings nichts wissen. Das mit dem Hass auf den Regierungschef will er nie gesagt haben. Links aber ist Dal Bosco. In seinem Heimatort gilt er als Sympathisant der Linksdemokraten; immer wieder habe er bei den Festen der Parteizeitung Unità freiwillig mit angepackt. Das Parteibuch allerdings habe er nie gehabt, versichert der örtliche Parteisekretär sofort. Dal Bosco stehe „ziemlich in der Mitte zwischen Linksdemokraten und Rifondazione Comunista“. Seine Freunde nennen ihn gerne „Che“, weil er oft mit Guevara-T-Shirts unterwegs ist, und bei den Demonstrationen gegen den G8-Gipfel, 2001 in Genua, war er auch dabei, „allerdings nicht bei denen, die die Unruhen veranstaltet haben“, wie seine Kumpel präzisieren. Dennoch: Dal Bosco möchte seine „Impulstat“ nicht als politischen Akt verstanden wissen, bloß als „riesengroße Dummheit“. MICHAEL BRAUN