Dank Bremen gut gerüstet

RÜSTUNGSHOCHBURG In Bremen hängen heute wieder 4.000 Arbeitsplätze von der Militärindustrie ab. Dass die Stadt einst Zentrum der Rüstungskonversion war, ist nur noch eine Erinnerung an längst vergangene Tage

■ Bei Rheinmetall Defence Electronics wird unter anderem eine „Kleinfluggerät Zielortung“ genannte Drohne gebaut. Sie dient der Entdeckung und genauen Lokalisierung von feststehenden und beweglichen Objekten. Damit kann man spionieren und auch die Treffer nach Artilleriebeschuss zählen.

■ Die Lürssen-Werft ist heute einer der Weltmarktführer für Super-Luxus-Jachten. Die Werft baute aber auch schon für die kaiserliche Marine und die Wehrmacht Schnellboote. Unter anderem werden hier für die Bundesmarine die mit Marschflugkörpern RBS 15 MK 3 ausgestattete Korvetten K 130 gefertigt.

■ OHB ist Generalunternehmer für das erste Aufklärungssatellitensystem der Bundeswehr, SAR-Lupe. Es basiert auf Radartechnik und soll rund 742.000.000 Euro kosten.

■ Die ganze Dokumentation zum „Rüstungsstandort Bremen“ ist auch unter www.bremerfriedensforum.de erhältlich.

VON JAN ZIER

Auf jeden Bremer und jede Bremerin kommen heute in der Stadt produzierte Militärgüter im Wert von rund 2.000 Euro. Nur – sagen die KritikerInnen – interessiert das hier und heute fast keinen mehr. Und das Thema Rüstungskonversion, also die Umstellung industrieller Betriebe der Rüstungsproduktion auf zivile Fertigung, sagt Andrea Kölling, „ist in Bremen tot“. In den 90er Jahren war das mal ein großes Thema in der Stadt.

Kölling ist die Vorsitzende der bremischen „Stiftung für Rüstungskonversion und Friedensforschung“, die gerade ihren 20. Geburtstag feiert. Soeben hat sie – mit Bremer Friedensorganisationen – die Dokumentation über den „Rüstungsstandort Bremen“ neu aufgelegt, „‚Erlebnisland‘ als Lieferant der Zutaten für Kriege“ ist der lakonische Untertitel.

Gleich fünf namhafte Rüstungsbetriebe haben in der Stadt ihren Sitz, davon mindestens zwei von Weltrang, Atlas Elektronik, der sich vor allem im weltweiten U-Boot-Bau engagiert, dazu Simulatoren für Kampfflugzeuge und Panzer baut und die meist als Satellitenbauer bekannte OHB System AG. Ihr Umsatz, der 2001 noch bei 15 Millionen Euro lag, beläuft sich heute auf 223 Millionen Euro. Hinzu kommt noch die Lürssen-Werft, wo Korvetten, Schnellboote und Fregatten entstehen. Ferner EADS, unter anderem an Eurofighter und Airbus A 400 beteiligt. Und Rheinmetall Defence, das sich als „führendes Systemhaus für Landstreitkräfte“ versteht.

Zusammen beschäftigen die fünf Firmen allein in Bremen wieder 4.000 der bundesweit etwa 80.000 MitarbeiterInnen in der Rüstungsindustrie. Sie erwirtschaften gemeinsam etwa einen Rüstungsproduktionswert von bundesweit rund 15,5 Milliarden Euro im Jahr. Und während der Anteil der Rüstungsproduktion am Bruttosozialprodukt in ganz Deutschland lediglich 0,7 Prozent beträgt, sind es im kleinen Bremen fast fünf Prozent. Die Stadt ist eine „Rüstungshochburg“, rechnet Lühr Henken, Vorstand des „Hamburger Forums für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung“ vor. Sie profitierte damit vom Aufschwung der vergangenen Jahre: Deutschland hat nach Henkens Worten von 2004 bis 2008 den Export von Großwaffen um 70 Prozent gesteigert, verglichen mit der Zeit zwischen 1999 und 2003.

Gleichwohl waren in Bremen früher viel mehr Jobs von der Rüstungsindustrie abhängig, in den 90ern hatte sich die Zahl dann von 10.000 auf 3.000 vermindert. Das ist einem Konversionsprogramm geschuldet, für das 1990 bis 2000 öffentliche Gelder im Wert von 25,6 Millionen Euro zur Verfügung standen. Sogar einen Konversionsbeauftragten gab es acht Jahre lang – Wolfram Elsner, seit 1995 Wirtschafts-Professor an der Uni Bremen. 2001 wurde das Amt abgeschafft. „Die Konversion war nicht erfolgreich“, hat Bremens SPD-Bundestagsabgeordneter Volker Kröning einmal gesagt. Einst war er wie Alt-Bürgermeister Henning Scherf (SPD) Geburtshelfer der Stiftung Rüstungskonversion. Heute mag Kölling von der rot-grünen Landesregierung schon fast nicht mehr fordern, sich für ein neues Konversionsprogramm „stark zu machen“ – so abwegig erscheint der Gedanke.

Inzwischen profiliert sich Bremen in seinem Selbstmarketing bundesweit als „entscheidender Standort der Hochtechnologie im nordwestdeutschen Raum“. Oft ist dann von EADS die Rede, von OHB. Und von Projekten, die nicht nur, aber eben auch dem Militär dienen. Das EU-Navigationssystem Galileo beispielsweise, bei dem OHB und EADS für die Herstellung von 26 von insgesamt 30 Satelliten ausgewählt wurden. Galileo tritt an, um Europa von dem im Pentagon gesteuerten Navigationssystem GPS unabhängig zu machen. Auch Henken sieht darin etwas „durchaus Positives“. Und doch enthält Galileo auch zwei verschlüsselte, nur Militär und Geheimdiensten vorbehaltene Frequenzen.