USA bleiben auf illegalem Kurs

Das US-Justizministerium legt eine neue Definition von Folter vor. Gleichzeitig planen CIAund Pentagon neue Möglichkeiten der Inhaftierung auf Lebenszeit – ohne Gerichtsverfahren

VON BERND PICKERT

Pünktlich zum neuen Jahr hat das US-Justizministerium ein neues Memorandum vorgelegt, in dem die Anwendung von Folter als „verabscheuungswürdig“ bezeichnet und die Definition von Folter erweitert wird. Danach sind nicht mehr nur Handlungen, die extreme Qualen verursachen, als Folter anzusehen, sondern auch „bloßer körperlicher“ Schmerz und andauerndes psychisches Leiden.

Das Memorandum steht im Widerspruch zu einem Rechtsgutachten, das der designierte Justizminister Alberto Gonzalez im August 2002 in seiner damaligen Funktion als Rechtsberater des Präsidenten George W. Bush vorgelegt hatte. Darin hatte Gonzalez Folter als „das Herbeiführen von Organversagen und Einschränkung körperlicher Funktionen bis hin zum Tod“ definiert und im Übrigen argumentiert, im Kampf gegen den Terror seien herkömmliche internationale Konventionen nicht weiter zu beachten. Das Memorandum war – wenngleich die Regierung diese Kritik stets zurückgewiesen hatte – weithin als eine Art Blankoscheck für die Ereignisse im irakischen Abu-Ghraib-Gefängnis und etliche weitere Vorwürfe der Misshandlung und Folter Terrorverdächtiger in US-Gewahrsam gesehen worden. Die Vermutung liegt nahe, dass die US-Regierung durch die Veröffentlichung des neuen Memorandums kurz vor Beginn der Kongressanhörungen zur Bestätigung Gonzalez’ als neuem Justizminister Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen will.

Derweil sorgte jedoch ein neuer Bericht der Washington Post von gestern für Aufregung: Das US-Verteidigungsministerium und der Geheimdienst CIA planen demnach neue Möglichkeiten, Terrorverdächtige ohne Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit einsperren zu können. Unter Berufung auf Quellen in Geheimdienst-, Verteidigungs- und diplomatischen Kreisen berichtet die Zeitung, es sei unter anderem geplant, in Afghanistan, Saudi-Arabien und Jemen neue Gefängnisse zu bauen, die zwar unter Kontrolle der jeweiligen Länder stehen sollten, aber regelmäßig von den USA überwacht würden. Die jeweiligen Regierungen sollten gebeten werden, in den Gefängnissen die Menschenrechte zu beachten. In diese Gefängnisse sollten dann hunderte jener Gefangener gebracht werden, die derzeit ohne jedes Verfahren im Gefangenenlager der USA in Guantánamo auf Kuba einsitzen.

Auch dort aber soll den Angaben zufolge ein neues Gefängnis entstehen: Der Kongress soll 25 Millionen US-Dollar zum Bau eines „Camp 6“ bewilligen, in dem die Häftlinge untergebracht werden sollen, von deren Verhören man sich keine weiteren Aufschlüsse mehr erwarte, deren Verurteilung aufgrund mangelnder Beweise nicht einmal von US-Militärtribunalen zu bewerkstelligen sei, die man aber dennoch nicht freizulassen gedenke. Im „Camp 6“ sollten diese sich dann etwas freier bewegen und auch untereinander kommunizieren dürfen.

Zu der Gruppe der unter rechtlich ungeklärten Bedingungen festgehaltenen gehört auch eine unbekannte Anzahl von Gefangenen, die an verschiedenen Orten der Welt von der CIA festgehalten werden – zum Teil seit Jahren. Das bislang eher provisorische System solcher Haftanlagen soll nun offensichtlich auf Dauer institutionalisiert werden. „Da der globale Krieg gegen den Terror eine langfristig Anstrengung ist, erscheint es uns sinnvoll, Lösungen für langfristige Probleme zu finden“, begründet Pentagon-Sprecher Bryan Whitman gegenüber der Washington Post die neue Initiative.

Dabei will die CIA an ihrer bisherigen Praxis, Verdächtige an unbekannte Orte zu verbringen, zu verhören und mit der Entsendung in Folterstaaten zu bedrohen, offenbar dennoch festhalten, berichtet die Post. So „verabscheuungswürdig“ ist das offenbar doch nicht. (mit dpa)