Klinisch fein

FASTMEISTER Bestellt und bald schon abgeholt: Der VfL Wolfsburg spielt demnächst erstmals in der Champions League. Das steht nach dem 5:0 in Hannover fest. Und die deutsche Meisterschaft ist noch ein Spiel entfernt

Felix Magath liefert Erfolge, wenn man ihm Geld und Macht zur Verfügung stellt

AUS HANNOVER PETER UNFRIED

Der VfL Wolfsburg wird in der kommenden Saison erstmals in der Champions League spielen. Das steht nach dem lockeren 5:0 bei Hannover 96 fest und hat sicher eine historische Dimension. Ein Remis am kommenden Samstag gegen Bremen reicht dem Tabellenführer bei zwei Punkten Vorsprung sehr wahrscheinlich, um den bereits sicheren Platz zwei in die erste deutsche Meisterschaft umzuwandeln.

Weil im Fußball von Woche zu Woche alles anders ist, darf man daran erinnern, dass mit dem VfL seit 1945 niemand und noch zu Beginn der Rückrunde „wir alle“ nicht gerechnet haben, wie Bayern-Manager Uli Hoeneß zugab. Auch VfL-Trainer Felix Magath behauptet, er habe „erst nach dem Sieg gegen Hoffenheim angefangen, daran zu glauben“. Das war vor zwei Wochen, also vor Ewigkeiten. Eine lange Woche wird nun spekuliert werden, ob Wolfsburg den Titel schon in der Tasche hat, ob Werder drei Tage nach seinem Uefa-Pokalfinale gegen Donezk wird gegenhalten können. Was es bedeutet, dass man bei aller Heimstärke ausgerechnet gegen Werder im Pokalviertelfinale verlor – und das 2:5. Warten wir es einfach ab.

Der Kantersieg in Hannover war erneut eine beeindruckende Darbietung von Magath-Fußball. Einerseits beeindruckend, andererseits kühl und fast klinisch. „Wir haben die gesamte Saison darauf hingearbeitet, die Dinge professionell zu sehen und möglichst emotionslos in diese Spiele zu gehen“, sagte Magath. Für die Anhänger der Wölfe ist es sicher ein großartiger Nachmittag gewesen, für neutrale Zeitzeugen war es nach Dzekos Tor zum 1:0 ein über weite Strecken ein totes Spiel.

Zum einen wurde für das, was 96 bot, der freundliche Euphemismus Sommerfußball erfunden. Zum anderen und zur Ehrenrettung des Tabellenelften war Wolfsburg einfach zu organisiert, zu aggressiv, zu effizient, individuell zu stark und setzte so seinen Konterfußball souverän durch. Auch Hannovers Trainer Dieter Hecking schwärmte von der „Konsequenz“ der Wolfsburger Torschützen Grafite und Dzeko.

Der Brasilianer führt nun die Torschützenliste mit 26 Toren (darunter acht Strafstöße) vor Dzeko (25) an. Grafite hat nur 24 Spiele dafür gebraucht, dafür hat Dzeko, 23, alle Tore aus dem Feld erzielt. Der Bosnier hat sich während seines zweiten Jahres beim VfL zum Angreifer von internationalem Format entwickelt, was sich längst auch in anderen europäischen Fußballmetropolen herumgesprochen hat. Zuletzt kursierten Gerüchte, er habe seinen Abgang beschlossen. Klar, er sei „enttäuscht“ über den Weggang von Magath, sagte Dzeko in Hannover auf entsprechende Fragen. Ansonsten habe er nun „diese Chance“ und konzentriere sich daher „nur auf Wolfsburg und nicht auf einen möglichen Wechsel“. Das gilt zumindest für die kommende Woche. „Jeder weiß um die Riesenchance“, sagte Nationalspieler Marcel Schäfer. „Manche kriegen sie nicht wieder.“ Da ist was dran, und zwar unabhängig davon, ob das Team nun tatsächlich „auseinanderfällt“, wie aufgeregt spekuliert wird und wer nun in den nächsten Tagen als neuer Trainer vorgestellt wird. In der Zukunft leben gerade im Fußball vornehmlich die Erfolglosen, die Erfolgreichen arbeiten an der Gegenwart.

Was Felix Magath angeht, den scheidenden Trainer, Manager und Schon-nicht-mehr-Geschäftsführer, so hat er in zwei Jahren tatsächlich einen Fastabsteiger zu einem Champions-League-Teilnehmer gemacht. Sicher wäre diese Entwicklung im Zeitraffer ohne die finanziellen Möglichkeiten von Klubbesitzer VW nicht möglich gewesen – aber ohne Magath wohl auch nicht. Er mag kein ausgesprochener Humanist sein, und wie nachhaltig er arbeiten kann, weiß keiner.

Aber Magath scheint entschlossen, den Arbeitsauftrag von VW-Chef Martin Winterkorn nicht nur zu einem perfekten, sondern auch zu einem unemotionalen Ende zu bringen. Ob es vielleicht sein größter Erfolg bis dato war, wurde er in Hannover gefragt, die vormals graueste Maus der Bundesliga in die europäische Eliteliga gehievt zu haben? Ach, antwortete Magath. Dann sprach er davon, dass er „noch heute stolz“ sei, im Jahre 2000 mit Eintracht Frankfurt trotz scheinbar aussichtsloser Lage nicht abgestiegen zu sein. „Das würde ich mir heute nicht mehr zutrauen.“ Damals hatte er weder Geld noch Allmacht. Er bedanke sich bei „Professor Dr. Winterkorn“, der die Voraussetzungen geschaffen habe, dass er, Magath, seine Vorstellungen in Wolfsburg umsetzen konnte. Was letztlich nichts anderes heißt, als dass Magath liefert, wenn man ihm Geld und Macht gibt. Sagen wir es in aller Sachlichkeit: Magath wird gehen – der Titel würde bleiben. Es wäre ein fairer Deal.