Wenig Hoffnung für Vermisste

Die Zahl der vermissten Deutschen nach der Flutwelle steigt auf weit mehr als eintausend. Staatssekretär: „Zu Optimismus besteht kein Anlass.“ Minister Fischer will in Krisenregion reisen

BERLIN taz ■ Im traditionell zurückhaltenden Krisenstab des Auswärtigen Amtes sinkt die Hoffnung auf ein Überleben der „sehr deutlich mehr als 1.000“ vermisst gemeldeten Bundesbürger. „Zu Optimismus besteht kein Anlass“, sagte Staatssekretär Klaus Scharioth gestern nach der Sitzung des Krisenstabes. „Es ist einfach so, dass von Tag zu Tag die Wahrscheinlichkeit wächst, dass viele der Vermissten nicht zurückkehren werden“, sagte er.

Das Außenministerium nennt weiterhin keine genauen Zahlen. Doch handelt es sich bei den offiziellen Angaben offenbar eher um eine realistische Größe denn um eine großzügige Zusammenzählung aller kursierender Namen eventuell betroffener Urlauber.

Auch eine Woche nach der Flutkatastrophe kämpfen die Mitarbeiter im Auswärtigen Amt, im Bundeskriminalamt und beim Roten Kreuz mit einem Wirrwarr von Listen und Namensangaben. 60 Tote aus Deutschland waren bis gestern identifiziert, 46 in Thailand, 14 in Sri Lanka. Rund 300 Verletzte wurden registriert, insgesamt 7.000 Urlauber zurück in die Bundesrepublik transportiert.

Ein näherer Blick auf die Arbeit der Katastrophenstäbe lässt erahnen, warum die genaue Zahl der betroffenen Touristen aus Deutschland so bald nicht feststehen dürfte. „Die Zahlen fluktuieren von Stunde zu Stunde“, sagte Staatssekretär Scharioth. Der Abgleich der Listen von Auswärtigem Amt, DRK und BKA erweist sich aus mehreren Gründen als langwierig. Einige Familien ringen sich erst jetzt dazu durch, Angehörige bei der Polizei als vermisst zu melden. Andererseits informieren heimgekehrte Urlauber nicht oder nur verzögert eine der Krisenhotlines. Unterschiedliche Schreibweisen von Namen erschweren den Abgleich und die Prüfung der Listen. Die Fachleute können deshalb bisher weder Doppel- noch Fehlmeldungen verlässlich ausschließen. Und dennoch lautete auch die gestrige Bilanz des Außenministeriums: „Die Zahl der Vermissten steigt weiter.“

Trotz der dramatischen Folgen für deutsche Urlauber mahnte Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD), die globale Dimension der Flutkatastrophe nicht aus den Augen zu verlieren: „Bei etwa 165.000 Toten weltweit ist die Frage, ob es einer von uns oder einer von denen ist, nicht gerechtfertigt.“ Die gemeinsame Aufgabe sei jetzt, die Hilfe zu globalisieren. Allein in Indonesien wurden bisher 80.246 Tote registriert. In Thailand werden noch mehr als 3.500 schwedische Touristen vermisst. In Norwegen stehen mehr als 1.400 Menschen auf Vermisstenlisten.

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) kündigte an, am Ende der Woche in die Krisenregion zu reisen. Nach Angaben des Ministeriums wird Fischers Augenmerk vor allem dem Wiederaufbau im Katastrophengebiet und den deutschen Hilfsmöglichkeiten gelten.

ASTRID GEISLER