Spiel nicht mit den Bertelsmännern

GEW Die Vizechefin der Bildungsgewerkschaft GEW soll die Jury eines Preises für Integrationsschulen verlassen. Denn an dem Preis ist auch die oft als „neoliberal“ kritisierte Bertelsmann-Stiftung beteiligt

„Die eigentliche Strategie Bertelsmanns ist die Privatisierung des Bildungswesens“

GEW-Landeschef Nagel

BERLIN taz | Der Preis soll eigentlich einer guten Sache dienen – doch nun gibt es viel böses Blut. Eine Jury soll für den Jakob-Muth-Preis eine Schule auswählen, in der heute schon behinderte und nichtbehinderte Kinder vorbildlich gemeinsam lernen – ganz im Sinne einer gerade auch in Deutschland in Kraft getretenen UN-Konvention über die Rechte der Behinderten, die den selbstverständlichen Einschluss der Behinderten in die Welt der Nichtbehinderten fordert.

Verliehen wird der Preis von der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Karin Evers-Meyer, der Unesco – und der Bertelsmann-Stiftung. Und die Beteiligung der Gütersloher Stiftung ist es auch, die Unmut auslöst.

Denn in der Jury des Preises sitzt auch Marianne Demmer, Vizevorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW. Das wäre bis vor kurzem wohl kaum ein Problem gewesen, doch die GEW hat Ende April auf ihrem Gewerkschaftstag in Nürnberg beschlossen, dass sie nicht mehr mit Bertelsmann zusammenarbeiten will. Ein bisschen „Kontaktpflege“ soll noch erlaubt sein, Kooperation aber nicht.

Der Grund: Die Bertelsmann-Stiftung stehe für „eine marktförmige Umgestaltung des Bildungswesens“, heißt es in dem Beschluss des Gewerkschaftstags: „Die Bertelsmann-Stiftung verfolgt das Ziel, die Prinzipien unternehmerischen Handelns in allen Bereichen der Gesellschaft zu verankern. Insbesondere im Bereich der Bildung lehnt die GEW dieses Ziel ab.“ Vor allem das massive Eintreten der Stiftung für Studiengebühren wird von Linken schon seit Jahren kritisiert.

Nun fordern die Ersten in der Bildungsgewerkschaft: Vorstandsfrau Demmer müsse nun auch ihr Amt in der Jury des Schulpreises ruhen lassen. „Sie sollte sich aus der Jury zurückziehen“, sagte der hessische GEW-Landeschef Jochen Nagel der taz.

GEW-Vorstandsfrau Demmer weiß, dass ihre Jurytätigkeit noch für Ärger sorgen wird. Auf einem Kongress zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention vor wenigen Tagen in Berlin raunte sie der Behindertenbeauftragten und SPD-Politikerin Evers-Meyer in einer Pause zu, dass sie sich womöglich aus der Jury zurückziehen müsse. Evers-Meyer flehte Demmer an, standhaft zu bleiben – denn die Behindertenbeauftragte will mit dem zum ersten Mal ausgelobten Preis den Kultusministern zeigen, dass das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern gelingen kann. Sie möchte das Projekt keinesfalls durch politische Differenzen unter den Partnern belastet wissen.

„Ich hoffe sehr, dass ich in der Jury dieses wichtigen Preises weiter mitarbeiten kann, sagte Demmer der taz auf Nachfrage. „Alles andere wäre eine Brüskierung der Behindertenbeauftragten.“ Sie glaubt, dass dies auch trotz des von der Gewerkschaft beschlossenen Kooperationsverbots geht. Denn die Bertelsmann-Stiftung übernehme nur die Organisation des Preises. „Das Inhaltliche bestimmt sie nicht.“

Der hessische GEW-Landeschef Nagel sieht das anders. Für ihn ist die Beteiligung Bertelsmanns an dem Preis nur „ein schönfärberisches Pflästerchen“, mit dem die eigentliche Strategie der Stiftung verdeckt werde: die Ökonomisierung und Privatisierung des Bildungswesens. „Und das verschärft die soziale Schieflage in unserem Land“, sagt Nagel.

An diesem Montag soll im geschäftsführenden Vorstand der Gewerkschaft eine Entscheidung fallen, ob Demmer in der Jury bleiben kann oder nicht.

WOLF SCHMIDT