Müntefering gegen „heimliche Lobbyarbeit“

Nach VW- und RWE-Affären: Politiker übertreffen sich in Vorschlägen für mehr Transparenz bei Politiker-Gehältern. Grüne wollen Zusatzverdienste für Nebentätigkeiten auf Abgeordneten-Diäten anrechnen und stehen damit alleine

BERLIN taz ■ Immer neue Politiker machen Vorschläge, wie mit den Nebeneinkünften von Abgeordneten zu verfahren sei. Radikalster Vorstoß: Niedersachsens SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel forderte gestern, dass Parlamentarier, wenn sie von ihren sonstigen Einkünften leben können, nur noch eine Aufwandsentschädigung bekommen.

Damit reagierte Gabriel auf die beiden Problemfälle in seiner Fraktion: Ende Dezember hatte sich herausgestellt, dass die SPD-Landtagsabgeordneten Ingolf Viereck und Hans-Hermann Wendhausen neben ihren Diäten auch noch Löhne von VW erhielten. Zudem gibt es noch den niedersächsischen Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Uhl, der weiter sein Monatsgehalt als VW-Betriebsrat bezieht.

Diese SPD-Verwicklungen alarmieren auch Parteichef Franz Müntefering. Er forderte gestern mehr Transparenz bei den Einkünften von Politikern: „Heimliche Lobbyarbeit muss ausgeschlossen sein.“

Allerdings ist nicht nur die SPD betroffen: So hat die FDP-Wissenschaftsexpertin Ulrike Flach vom Siemens-Konzern jährlich 60.000 Euro für Übersetzungsdienste erhalten. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer trat zurück, weil er von RWE mehrere Sonderzahlungen kassiert hatte; sein Parteikollege Hermann-Josef Arentz gab sein Amt als Führer des CDU-Arbeitnehmerflügels auf, weil er sich mit jährlich 60.000 Euro von RWE sponsern ließ.

Bisher müssen Bundestagsabgeordnete Nebentätigkeiten beim Bundestagspräsidenten angeben – über die Höhe ihrer Einkünfte müssen sie jedoch nur informieren, wenn diese 3.000 Euro monatlich oder 18.000 Euro jährlich übersteigen. Die Tätigkeiten als solche werden im Bundestagshandbuch publiziert, doch die Höhe der Einnahmen bleibt bisher ein Geheimnis, das nur der Bundestagspräsident kennt. Müntefering lehnte es jedoch ab, Abgeordneten Nebentätigkeiten gänzlich zu verbieten: „Betriebsräte und Unternehmer und Rechtsanwälte und andere, die nah an ihrem Beruf bleiben, tun dem Bundestag gut.“

Das sehen die Korruptionsbekämpfer von Transparency Deutschland ähnlich: „Es ist eine etablierte Praxis in der Bundesrepublik, dass wir keine Berufspolitiker haben“, sagt der Vorsitzende Hansjörg Elshorst. Die meisten Abgeordneten würden nur etwa zehn Jahre im Parlament sitzen. „Schon jetzt ist es ein Problem, genug qualifizierte Leute in die Politik zu locken.“

Doch auch Transparency fordert, Nebeneinkünfte offen zu legen. Das beliebte Gegenargument, dass dadurch auch in die Rechte von Vertragspartnern eingegriffen würde, kann Elshorst nicht nachvollziehen: „Die Rechtsanwälte im Bundestag müssten doch nicht die Namen ihrer Mandaten nennen – sie sollen ihre Einkünfte offen legen.“

Transparency ist gern bereit, den Vorschlag des parlamentarischen Geschäftsführers der Grünen zu unterstützen. Volker Beck fordert, dass Nebeneinkünfte auf die Diäten angerechnet werden, sobald ein Abgeordneter mehr als die Hälfte seines Einkommens durch andere Verdienste erwirtschafte. Dabei sei „nicht die Grenze entscheidend“, so der Politiker, „sondern das Prinzip, dass Nebentätigkeiten nicht die Arbeit im Parlament überlagern dürfen“. ULRIKE HERRMANN