„Kanaken“ werden nicht gehört

BELEIDIGUNG In Bad Segeberg muss sich eine 49-Jährige wegen ausländerfeindlicher Beschimpfungen verantworten. Das Gericht stellt das Verfahren ein – und bleibt den Klägern die Erklärung schuldig

Wie es zu den Beleidigungen gekommen sei, fragt die Richterin. „Weil sie mich provozieren“, sagt Frau R.

Frau R. trägt einen farblos-blonden Pferdeschwanz und eine schwarze Lederjacke. Sie stößt die Worte langsam hervor und als die Richterin sie nach ihrem Familienstand fragt, weiß sie mit der Frage nichts anzufangen. Frau R. steht wegen Beleidigung vor dem Amtsgericht Bad Segeberg. Sie soll die Mitarbeiter eines Dönerladens als „scheiß Kanake“, „Arschloch“ und „Kakerlakenfresser“ beschimpft haben. Einmal soll sie ihren zwei Hunden „fass’ den scheiß Ausländer“ zugerufen haben.

Frau R. ist 49 Jahre alt und in sozialtherapeutischer Behandlung. Sie hat nie einen Beruf erlernt. Die Richterin bittet die beiden Beleidigten, junge Männer in Jeans, nach draußen zu gehen, weil sie noch als Zeugen aussagen sollen. Frau R. räumt die Beleidigungen ein. Nicht aber, ihre Hunde auf die Kläger angesetzt zu haben. Wie es zu den Beleidigungen gekommen sei, fragt die Richterin. „Weil sie mich provozieren und versuchen, mit aller Gewalt rauszuekeln“, sagt Frau R.

Ihre Anwältin erklärt, dass Frau R. im Gartenhaus des Grundstücks wohne, auf dem die Kläger eine Dönerbude betreiben. Die Kläger stellten immer ihr Auto in die Einfahrt, so dass Frau R. mit ihrem Fahrrad nicht daran vorbei komme. „Das klingt wie eine Lappalie“, sagt die Anwältin. Aber die Diskussionen um Mittagsruhe und Parken hätten sich zu einem unguten Nachbarschaftsstreit hochgeschaukelt. „Frau R. ist mit Sicherheit eine schwierige Person“, sagt sie. Aber die Tatsache, dass sie gerade vor dem Gerichtssaal beleidigt worden sei, als sie die ihr unbekannten Angeklagten grüßte, gebe ihr zu denken.

Die Kläger sollen auch eine Betreuerin von Frau R. beleidigt haben. „Ein Urteil wird keiner der Parteien weiterhelfen“, sagt die Anwältin. Sie schlägt vor, das Verfahren gegen eine Geldstrafe einzustellen. Das Gericht ist einverstanden, Frau R. muss 30 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Die Richterin ruft die Kläger herein. „Wir müssen Sie nicht mehr hören“, sagt sie. Das Verfahren sei eingestellt. „Nehmen Sie sich zurück“, ermahnt sie der Staatsanwalt. Eine Erklärung bekommen sie nicht.

FRIEDERIKE GRÄFF